- Kultur
Oberdiessbach - "Herzlich willkommen im Gefängnis!"
Der lokale Kulturverein lud zum Kinoabend ins Buumehus. Gezeigt wurde der Film «Thorberg», der den grauen Alltag in der Krauchthaler Männerstrafanstalt zeigt.
Nach der Vorführung vom vergangenen Freitagabend blieb das Publikum im Buumehus in Oberdiessbach still – der Thorberg-Film machte betroffen. «Herzlich willkommen im Gefängnis! Sie dürfen aber alle nachher freiwillig nach Hause gehen.» So hatte Filmemacher Dieter Fahrer die zahlreichen Zuschauer vor dem Film begrüsst. Monatelang besuchte Fahrer die Strafanstalt Thorberg, um die Realität der 180 inhaftierten Männer aus über 40 Nationen auf die Leinwand zu bringen. Als Einweisungsgründe in den geschlossenen Vollzug gelten schwere Verbrechen, Rückfälligkeit, Gemeingefährlichkeit oder Fluchtgefahr. Aus der Ferne mögen die Hauptdarsteller Lucca, Timothy, Ismet oder Maiga «Monster» sein, weil sie Mord oder andere schlimme Taten auf dem Gewissen haben. Durch den Film werden sie zu Menschen wie Du und Ich mit Träumen, Selbstvorwürfen und Ängsten.
Keine Integration?
Nach dem Film wollte eine Zuschauerin wissen, ob es denn keine Integration gäbe nach der Entlassung. Fahrer erklärte, er kenne fast jede «Kiste» in der Schweiz und habe sich mit dem Thema jahrelang befasst. Ausländische Straftäter werden nach der Haft ausgeschafft. Schweizer bekommen zwar Bewährungshelfer zur Seite gestellt, aber systematische Wiedereingliederung gäbe es nicht. Was die Thorberg-Mitarbeiter von seiner Filmarbeit gehalten hätten, fragte ein Zuschauer. Offenbar begrüssten viele den Film: «Bei den Wärtern gibt es vom netten Betreuer bis zum knallharten Rassisten alles», stellte Dieter Fahrer fest. «Hat nicht jeder Mensch ein Recht auf Bildung?», fragte eine andere Zuschauerin. Fahrer führte aus, es gäbe in Thorberg keine Ausbildungen. Viehhaltung, Käserei und Gärtnerei wurden geschlossen, weil die Sicherheitsbedingungen nicht ausreichten. «Es gibt sogar zu wenig Arbeit dort. Das heisst für die Gefangenen: Bis zu 19 Stunden täglich eingesperrt in ihrer Zelle.» Fahrer wies darauf hin, dass es bei diesem komplexen Thema keine einfachen Antworten gäbe.
Erstellt:
20.01.2014
Geändert: 20.01.2014
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