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Oberdiessbach - Putzfrau gewinnt Streit gegen Gemeinde

Einer im Stundenlohn angestellten Putzfrau wurden vom Lohn 1500 Franken abgezogen. Die Frau nahm das nicht hin, am Ende traf sie sich mit der Gemeinde vor Gericht. Die Putzfrau erhielt Recht. BERN-OST hat sie erzählt, wie es dazu gekommen ist.

Das Seilziehen um einen 1500-Franken-Lohnabzug endete vor der Schlichtungsstelle. (Foto: Archiv BERN-OST/Rolf Blaser)
Bettina Gerber: «Wir wollten Frau Hess nichts Schlechtes antun.» (Foto: Archiv BERN-OST/Rolf Blaser)

Wir treffen uns bei Regina Hess zuhause in Oberdiessbach. Am Küchentisch zeigt sie mir einen Stapel Dokumente. «Ich habe über elf Jahre für die Gemeinde als Putzfrau gearbeitet. Es ist schade, dass das Arbeitsverhältnis so auseinandergeht», sagt Regina Hess. Ende Dezember wird sie 64-jährig. Bereits im Februar liess sie sich frühpensionieren. Mit der letzten Lohnabrechnung erhielt sie eine unerfreuliche Überraschung.

 

Ein halbes Jahr arbeitsunfähig

Die Gemeinde Oberdiessbach zog ihr vom Februarlohn 1500 Franken ab. Im letzten Jahr war Regina Hess wegen Krankheit und Unfall sechs Monate arbeitsunfähig, sie war als Putzfrau im Stundenlohn angestellt. Für die Arbeitsunfähigkeit hätte ihr der Arbeitgeber einen Teil der Ferienentschädigung kürzen und dies Ende Jahr zurückverlangen können. Die Gemeinde nahm den Abzug fürs 2022 aber erst im Februar vor. Dies, obwohl der Lohnausweis fürs letzte Jahr bereits verschickt worden war.

 

Kein böser Wille

«Wir wollten Frau Hess nichts Schlechtes antun», sagt Gemeindepräsidentin Bettina Gerber (Die Mitte). Laut Obligationenrecht darf bei einer Abwesenheit wegen Krankheit oder Unfall der Ferienanspruch ab dem zweiten Monat um einen Zwölftel gekürzt werden. «Wir haben Frau Hess im letzten Jahr trotz Arbeitsunfähigkeit den vollen Lohn bezahlt. Da sich Ende Jahr zeigte, dass sie mehr als ein halbes Jahr gefehlt hatte, kürzten wir ihren Ferienanspruch entsprechend», so Gerber.

 

Rechtsberatung eingeschaltet

«Die Gemeinde schrieb, ich sei ihnen das Geld noch schuldig, weil ich mehr als ein halbes Jahr gefehlt habe», sagt Hess. Sie fand dies falsch, schliesslich machte der Abzug mehr als die Hälfte des Februarlohnes aus. Sie recherchierte und fragte bei der Rechtsberatung in Bern nach. Dort wurde ihr bestätigt, dass die Gemeinde den Abzug nur in dem Jahr machen darf, in welchem sie krank war. Hess schrieb dies ihrer Arbeitgeberin, der Gemeindeverwaltung Oberdiessbach. Briefe gingen hin und her, doch die Gemeinde beharrte auf dem Abzug.

 

Gespräch mit Gemeindepräsidentin

Regina Hess nahm einen Besuchstermin bei Gemeindepräsidentin Bettina Gerber wahr, zeigte ihr den Briefwechsel. Diese verwies sie an den Finanzverwalter, eine Einigung war nicht in Sicht. Via die Rechtsberatung gelangte Hess danach an die Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland. Ein Gericht musste also den Fall klären. Hess und die Gemeinde reichten eine Stellungnahme ein, Anfang Juni trafen sich beide Parteien vor der Richterin.

 

Vor Gericht Recht erhalten

Der Termin vor der Richterin habe kaum 20 Minuten gedauert, erzählt Hess. Sie habe nichts sagen müssen, die Richterin habe ihr Recht gegeben. Im daraufhin unterschriebenen Vergleich steht: «Der Gemeinderat von Oberdiessbach verpflichtet sich, Regina Hess einen Betrag von 1519.35 Franken zu bezahlen.» Damit war die Sache erledigt, den Betrag hat sie erhalten.

 

Gemeinde bedauert

Wenn Angestellte der Gemeinde länger als einen Monat arbeitsunfähig sind, werden die Ferien gekürzt, begründet dies Gemeindepräsidentin Gerber. «Uns ist es wichtig, alle Angestellten gleich zu behandeln. Wir haben den Fall von Frau Hess beim Kanton Bern abklären lassen und gingen davon aus, dieser Abzug sei legitim. Wir haben den Abzug jedoch zu spät vorgenommen, was uns nicht bewusst war. Wir bedauern dies und haben Frau Hess den Betrag nachträglich ausbezahlt.»

 

Mut machen

«Böse bin ich nicht, was ich wollte, habe ich erreicht», sagt Hess. An BERN-OST habe sie sich gewendet, weil sie es schade fand, dass sie um ihren letzten Lohn kämpfen musste. «Aber auch um anderen Angestellten im Stundenlohn zu zeigen, dass sie sich wehren sollen, wenn sie im Recht sind.»


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 18.07.2023
Geändert: 18.07.2023
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