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Offener Brief: Lindenmatt-Mieter:innen begrüssen Sanierung aber fürchten hohe Mieten

Eine Mieterin der Bolliger Siedlung "Lindenmatt West", über deren Aufstockung am Sonntag entschieden wird, beschreibt in einem offenen Brief die Sorgen der betroffenen Mieter:innen. Gegenüber BERN-OST erklärt sie, warum sie trotzdem für ein Ja plädiert.

Patricia Reichen mit Katze vor ihrem Haus. (Bild: Michelle Thönen)

Wenige Tage vor der Abstimmung zur Überbauungsordnung Lindenmatt West, im Volksmund "Hühnerbühl", hat sich eine Mieterin der Siedlung mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt. Gestritten wurde im Vorfeld der Abstimmung über die Aufstockung einiger Gebäude. An vorderster Oppositionsfront stehen Anwohner:innen, die sich um die Aussicht aus ihren Wohnungen sorgen. Gegen die Abstimmung reichten sie eine Beschwerde ein, die vom Regierungsstatthalter aber abgelehnt wurde. (BERN-OST berichtete.)

 

"Vergessen gehen die Bewohner:innen"

"Vergessen gehen in der ganzen Diskussion die Bewohner:innen der Siedlung", schreibt Patricia Reichen in ihrem Brief. Ihr sei klar, dass am Sonntag über die Aufstockung abgestimmt werde und nicht über die Mietzinse nach der Sanierung. Diese seien es aber, die bei den Bewohner:innen der Siedlung Ängste auslösten.

 

Der Infoabend hätte dazu mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Einerseits habe die UBS als Eigentümerin versichert, die jetzige Mieter:innenschaft könne bleiben. Andererseits habe sie aber auch angekündigt, dass die Mieten für die sanierten Wohnungen dem Marktpreis innerhalb der Gemeinde entsprechen werden.

 

66 Prozent mehr Miete?

Dazu hat Reichen eine kurze Recherche angestellt. Sie hat alle zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem grossen Immobilienportal ausgeschriebenen Bolliger Wohnungen studiert und die Mieten mit den aktuellen Mieten im Hühnerbühl verglichen. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung in der Siedlung kostet 1290 Franken.Die ausgeschriebenen Wohnungen dieser Grösse in Bolligen kosteten durchschnittlich etwa 2143 Franken, also rund 66 Prozent mehr. Bei den 4,5-Zimmer-Wohnungen ist der Unterschied etwas kleiner. Im Hühnerbühl kosten sie 1595 Franken, der durchschnittliche Mietzins der ausgeschriebenen Wohnungen beträgt 2366 Franken, das sind rund 48 Prozent mehr.

 

"Sanierung ist nötig"

Sie werde trotz dieser Unsicherheit Ja stimmen, betont Reichen. "Es ist absolut nötig, die Wohnungen zu sanieren. Da wurde ausser einer Fassadenrenovation vor 22 Jahren nie etwas gemacht." Man wisse auch nicht, was die Pläne wären bei einem Nein. "Vielleicht würde dann die ganze Siedlung abgerissen und neu aufgebaut, so wie das im Vorfeld auch als Möglichkeit geprüft wurde." Mit dem Brief gehe es ihr um die Zeit nach der Abstimmung. Die UBS solle schnell kommunizieren, in welcher Grössenordnung die künftigen Mieten sein werden. "Von der Gemeinde erwarte ich, dass sie sich für moderate Mietzinse einsetzt und das bei der Eigentümerschaft klar einfordert."

 

In der Siedlung wohnten viele Menschen mit wenig Geld, schreibt Patricia Reichen. "Rentner:innen, alleinerziehende Mütter, Sozialgeldbezüger:innen, aber auch IV-Bezüger:innen." Diese könnten sich Mieten in der berechneten Höhe meist nicht leisten.

 

Vierzig Wohnungen sind schon leer

Sie habe in dieser Sache bis jetzt nicht viel Unterstützung gespürt von der Gemeinde. "Es konnte manchmal fast der Eindruck entstehen, dass gewisse Leute ganz froh wären, wenn wir nicht mehr da wären. In Bolligen leben viele Leute, die vermögend sind und da passen die Hühnerbühl-Leute nicht so gut dazu. Die Siedlung wurde auch schon als "Schandfleck" bezeichnet." Wer etwas gefunden habe sei mittlerweile auch schon ausgezogen. Zurzeit stehen 40 der 200 Wohnungen leer.

 

Der Brief ging auch direkt an Gemeindepräsidentin Kathrin Zuber (FDP). Gegenüber BERN-OST sagt sie, sie habe den Brief erhalten, wolle sich aber so kurz vor der Abstimmung nicht mehr zum Thema äussern.

 

Die UBS als Eigentümerin reagierte zwar auf die Anfrage, allerdings liefert sie keine Zahlen. Eine Sprecherin bestätigt nur, dass bisherige Mieter:innen bei der Neuvermietung Vorrang haben. Die Mieter:innenschaft sei ausserdem immer transparent informiert worden.

 

Die leerstehenden Wohnungen werde man den verbleibenden Mieter:innen während der Sanierungsarbeiten als Übergangswohnungen zur Verfügung stellen. Die Frage, was bei einem Nein zur Überbauungsordnung mit der Siedlung passiert, bleibt offen. Über die nächsten Schritte werde die UBS entscheiden, "sobald der rechtliche Rahmen geklärt ist."

 

[i] Zu den Abstimmungsunterlagen auf der Website von Bolligen.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 10.06.2021
Geändert: 10.06.2021
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