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Von der Schulbank in die Küche: Wenn Jugendliche das Restaurant Rössli Heistrich übernehmen
Geschickt balancieren Flynn und Zofia die Teller, und fast wie Profis schenken Luz und Janis Wein ein. Das Besondere daran: Das Personal bestand an zwei Abenden aus Achtklässler:innen der Schule Vechigen. Ins Leben gerufen hat diese Aktion der Verband GastroBern. Das Rössli Heistrich ist einer der teilnehmenden Betriebe. BERN-Ost begleitete die Jugendlichen während ihrer Zeit.
«GastroBern schickt allen Schulen mit Schüler:innen im achten Schuljahr Flyer, um für die verschiedenen Berufe im Gastgewerbe zu werben, unter anderem mit dem speziellen Angebot/Projekt Klassengastro», erklärt der Betriebsleiter des Restaurants Rössli Heistrich, Hansruedi Soltermann. Dabei kochen und servieren die Schüler:innen der 8. Klasse in Restaurants, um praxisnah die Berufswelt der Gastronomie kennenzulernen.
Nach kurzem Zögern, doch interessiert
Dies stiess bei der Klassenlehrerin Michela Freda auf offene Ohren. Die Klasse aus Vechigen war jedoch nicht von Beginn an mit dabei: «Als ich den Schüler:innen das Projekt vorschlug kam kaum eine Rückmeldung. Doch nach den Ferien fragten einige Schüler:innen nach.» Rasch setzte sich die engagierte Klassenlehrerin mit Theres Soltermann in Kontakt, welche gemeinsam mit ihrem Mann alles aufgleiste.
Während Freda Elternbriefe schrieb und die Jugendlichen über die Kleidung und das Verhalten als Gastronomen aufklärte, organisierten Soltermanns alles andere. «Ich müsste nicht mit vor Ort sein», sagt Freda, «aber es ist spannend, die Schüler:innen mal in einem anderen Umfeld zu sehen.»
Jeweils die halbe Klasse war im Rössli Heistrich zu Besuch. Diese wurde aufgeteilt in die zwei Gruppen: Küche und Service. «Die Kinder konnten selbst auswählen, wo sie mithelfen möchten. Glücklicherweise hat sich dies gut aufgeteilt», sagt die Lehrerin.
Vorbereitungen in der Küche und im Service
So standen am ersten Tag vier Jugendliche in der Küche des Rössli Heistrich, während die restlichen fünf sich um den Service kümmerten. In der Küche sorgten Angelina und Mia zuerst für das Dessert und anschliessend für das Amuse-Bouche. «Uns gefällt es sehr. Wir haben gelernt, wie man Pesto macht», sagt Angelina. «Und Panna Cotta», ergänzt Mia. Beide wollten unbedingt in der Küche mithelfen: «Die Arbeit in der Küche fanden wir vielseitiger, macht mehr Spass und gibt uns neue Einblicke.»
Währenddessen lernt das junge Service-Team, wie man Servietten faltet und die Tische deckt. Welche Gabel kommt nochmal wohin? Doch nicht nur das, auch praktische Übungen werden durchgeführt. So beispielsweise, wie man eine Weinflasche öffnet, warum diese eine «Krawatte» bekommt und wie diese gefaltet wird.
Natürlich wurde auch das Servieren geübt. «Holt euch alle ein paar Flaschen aus den Harassen», fordert Therese Soltermann ihre Schützlinge auf. Die meisten holten sich zwei Flaschen. «Wie viele Personen sitzen an deinem Tisch? Sieben? Dann hole bitte auch sieben Flaschen», wies Soltermann sie an. So übten die Schüler:innen das Tragen und absetzen des Tablets.
«Wir sind ein Team»
Ebenso lernten die Jugendlichen, wie sie drei Teller gleichzeitig tragen können. «Aber was ist, wenn an einem Tisch mehr als drei Personen sitzen? Wir können ja nicht mit sieben Tellern auf einmal laufen», erwidert ein Schüler. «Natürlich nicht, dann müsst ihr mehrmals laufen. Wichtig ist, wenn ihr fertig seid, unterstützt die anderen. Wir sind ein Team, wir helfen einander», erklärt Therese Soltermann. Ebenso wichtig war Soltermann, wie die heissen Teller vor dem Gast gestellt werden. «Dazu brauchen wir Serviertücher», erklärt sie. «Der Teller sollte anschliessend so platziert werden, dass das Fleisch beim Gast ist. Wisst ihr wieso?» Stille. «Da es unangenehm ist, sich über den Teller beugen zu müssen, um das Fleisch zu schneiden.»
Doch am meisten nervös waren alle davor, was sie gegenüber den Gästen sagen. Auch in den Pausen war dies immer wieder Gesprächsthema. «Ich glaube ich schreibe mir alles auf», meinte eine Schülerin. «Grüässech mitenang, möchtet dir gärn äs Aperitif?», übt eine andere.
Die Flädli für in die Suppe werden von einem Schüler selbst gemacht. Beim Schneiden jedoch lässt die Konzentration etwas nach. «Die Flädli müssen genau so lang sein, wie ich es dir gezeigt habe», korrigiert Hansruedi Soltermann seinen Hilfsarbeiter. «Wenn sie zu lange sind, hängen sie vom Löffel runter, wenn der Gast die Suppe isst.» Klare Ansage, klarer Grund: Die Flädli werden verkleinert. Anschliessend hilft der Schüler seinem Kameraden beim Schneiden des Gemüses für den Hauptgang. Dabei haben die beiden beim Lauch mit den Tränen zu kämpfen.
Der große Moment: Gästeempfang und Bewirtung
Pünktlich um 17 Uhr gab es für die Schüler:innen Abendessen, serviert vom Chef persönlich. Freudig wurden die Platten voller Pommes frites und Chicken Nuggets entgegengenommen. «Die Zwetschgen in den Braten zu füllen, fand ich spannend», erzählt ein Schüler. «Ich habe gelernt, wie man die Teller im Service hält», meint Flynn. Nicht so beliebt waren bei den Schüler:innen bis dahin das Tischdecken und das Schnetzeln des Gemüses. Ob sie nervös seien? «Ja, sehr», meinte die halbe Klasse wie aus einem Munde. Kurz darauf ging es weiter mit Vorbereiten, die letzten Tische wurden gedeckt und die Teller vorbereitet.
Die Gästebewirtung
Kurz nach 18 Uhr treffen die ersten Gäste ein - jetzt geht’s los! Die ersten Getränke werden bestellt und die Amuse-Bouches serviert. Die Küchen-Crew bereitet in der Zwischenzeit den Salat vor.
Die Eltern der Jugendlichen und die Gäste sind in Plauderlaune und lassen sich gerne bedienen. «Wir finden es eine tolle Möglichkeit, dass die Kinder einen Einblick in ein Restaurant erhalten», hört man vermehrt in den Räumen. Einige haben das Rössli Heistrich vorher nicht gekannt, ein zusätzlicher Win-Win-Punkt.
Während die Service-Crew wie im Ameisenstock hin und her läuft, bereitet die Küche die Suppe vor. Da merken die Jugendlichen, dass es gar nicht so einfach ist, die zwei gefüllten Suppenschalen, um die Tische zu manövrieren. Dazwischen koordinieren und helfen Therese Soltermann und ihr Team den Jugendlichen. Auch in der Küche wird jeder Schritt überwacht und mit Rat und Tat unterstützt.
Beim Hauptgang ist in der Küche einiges los, während die einen das Fleisch herrichten, muss auch die Sauce auf den Teller. Dies erweist sich unter Zeitdruck, weil die Servier-Crew in der Schlange auf die Teller wartet, und ohne das es tropft gar nicht so einfach. Einige Schüler:innen überraschen, wie schnell sie die Handgriffe lernen und Sicherheit beim Servieren bekommen. Während die Gäste das Essen geniessen, können sich die Schüler:innen etwas ausruhen - langsam ist ihnen die Anstrengung anzumerken.
Gemeinsamer Abschluss
Im Saal und dem Wintergarten wird fleissig geplaudert. Oft sitzen verschiedene Eltern gemeinsam an einem Tisch, auch einige Lehrer lassen sich das Essen nicht entgehen. Kurz vor Schluss versammeln sich alle Jugendlichen hinter den Kulissen. Dort weisst Hansruedi Soltermann nochmals auf die verschiedenen Gastronomieberufe hin und bedankte sich bei den Schüler:innen. «Das Dessert werden alle gemeinsam servieren», so Therese Soltermann.
Kurz wird die Küchencrew instruiert, und los geht es. Die Gäste staunen nicht schlecht, als die Jugendlichen ähnlich der Schlussszene aus der Serie «Traumschiff» in Reih und Glied das Dessert servierten. Bei einer kurzen Ansprache von Hansruedi Soltermann wurden die Jugendlichen nochmals gelobt, den Gästen fürs Kommen gedankt und dem Team für die Unterstützung.
«Es war ein toller Tag», sagt Therese Soltermann. «Wir haben uns gut vorbereitet und mit meiner To-do-Liste klappte alles gut. Aber ich musste schon ‘den Gring bir Sach bhaute’. Aber nur so haben wir die Chance, die Jugendlichen zu packen.» Am selben Tag erhielt ihr Mann gleich die nächste Klassengastro-Anfrage. Zu hoffen bleibt, dass dank solchen Aktionen der Nachwuchs gefunden wird und die übriggebliebenen Gastronomiebetriebe in der Region erhalten bleiben.
[i] In unserer Bildergalerie finden sie zum ersten Abend und zum zweiten Abend weitere spannende Einblicke.
Erstellt:
29.01.2025
Geändert: 30.01.2025
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