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Parlamentssitzung Münsingen: Skepsis gegenüber Live-Stream

Vom Sofa aus live dabei bei den vier nächsten Parlamentssitzungen – das hätte das Münsinger Parlamentsbüro gerne in einem Pilotversuch getestet. Hintergrund der Idee war die Parlamentssitzung vom Frühling, welche wegen COVID-19 zweimal verschoben und schliesslich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wurde. Das Parlament äusserte Bedenken gegen die Idee.

Soll nur im Ausnahmefall live übertragen werden: Die Parlamentssitzung in Münsingen. (Bild: Isabelle Berger)

Eine Live-Übertragung der Parlamentssitzung stand schon im Frühling zur Diskussion. Damals habe die rechtliche Grundlage dafür nicht ausgereicht, sagte Parlamentspräsidentin Thekla Huber (SP) an der vergangenen Parlamentssitzung. "Damit ein Pilotversuch möglich ist, braucht es einen Beschluss des Parlaments", so Huber. 

 

Das Parlamentsbüro sah im Live-Stream aber nicht nur ein Mittel, "um der Öffentlichkeit im Pandemiefall trotz Teilnahmeverbot die Mitverfolgung einer Sitzung zu ermöglichen", sondern auch, um "das Interesse einer grösseren Bevölkerungsschicht an den Parlamentssitzungen zu wecken", wie es im Antrag ans Parlament heisst.

 

3000 Franken für vier Sitzungen

Die Sitzungen hätten in Echtzeit auf der Gemeindewebsite übertragen werden sollen. Die Aufnahmen hätten kein Speichern erlaubt, wären nach der Sitzung wieder gelöscht worden. Das Bild hätte lediglich drei Einstellungen gezeigt: Das Parlamentsbüro, das Redner*innenpult und die im Saal präsentierten Folien. Den Pilotversuch mit Gesamtkosten von 3000 Franken sollte von einer externen Firma durchgeführt werden, danach wäre eine Auswertung erstellt und dem Parlament zum definitiven Beschluss über die Einführung erneut vorgelegt worden.

 

In der Folge gab es mehrere Voten, welche mehrheitlich gegen den Pilotversuch ausfielen. Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) etwa äusserte sich ablehnend zum technisch aufwändigen und teueren Vorhaben. "Es gibt genügend erprobte Mittel, auf die man zugreifen kann, wenn man sie braucht", so Moser.

 

Angst vor dem Publikum

Heinz Malli (SP) zweifelte daran, dass ein Live-Stream das politische Interesse steigere. Und: "Nächstes Jahr ist Wahljahr. Der Live-Stream könnte als Wahlplattform missbraucht werden." Die SVP empfand die Kosten als unnötig und warnte davor, die Verbreitung im Internet nicht zu unterschätzen. Zudem führte David Fankhauser (SVP) an, dass es bei vermehrtem Kontakt mit der Basis schwieriger werde, Kompromisse zu finden.

 

Gegen diese Einstellungen sprachen sich Linus Schärer  (SP) und Beat Schlumpf (FDP) aus. "Die Sitzung ist öffentlich. Wer Angst hat, dass Leute zuhören und das Gehörte anders verwerten als gedacht: Das ist unsere Welt, ihr müsst euch entsprechend einstellen", so Schlumpf, der sich für den Pilotversuch aussprach.

 

Nur in Ausnahmesituationen

Schärer teilte weiter Schlumpfs Meinung, dass die Parlamentarier*innen den Wähler*innen Rechenschaft schuldig seien, ihm ging der Pilotversuch aber zu weit. Er stellte einen Gegenantrag. Der Live-Stream solle ausschliesslich "in Fällen von starken Einschränkungen" erlaubt werden.

 

Diesem Antrag stimmte das Parlament in der Folge überaus deutlich zu. Damit wurde die Spezialkommission „Erweiterung parlamentarische Instrumente“ beauftragt, im Rahmen der laufenden Überprüfung der Geschäftsordnung einen entsprechenden Artikel als Grundlage für Live-Stream-Übertragungen aufzunehmen.

 

Pandemiekonformes Verwaltungsgebäude

Die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit der Behörden war an der letzten Parlamentssitzung auch im Zusammenhang mit dem geplanten zentralen Verwaltungsgebäude ein Thema. In einer Interpellation fragte die Fraktion Mitte EVP-glp-EDU nach den Erfahrungen der Verwaltung aus der COVID-19-Pandemie und forderte, dass die Erkenntnisse daraus in die Planung des neuen Verwaltungsgebäudes einfliessen.

 

Die Interpellant*innen waren mit der Antwort des Ressorts Umwelt und Liegenschaften zufrieden. Gemäss dieser hat sich das im Frühling 2019 im Gemeindeführungsstab ausgearbeitete Business Continuity Management-Konzept bewährt (BERN-OST berichtete). Mit Videokonferenzen wurden gute Erfahrungen gemacht, wenn die Sitzungen gut vorbereitet waren. Trotzdem seien aber "persönliche Interaktionen und Nähe mit dem Team und der Verwaltung zwingend notwendig".

 

Fortgeschrittene Digitalisierung mit Luft nach oben

Was die Digitalisierung anbelangt, befinde sich die Gemeinde auf dem Weg. Homeoffice sei bereits vor Corona möglich gewesen. "Aus diesem Grund konnte der externe Zugriff für Homeoffice innert Stunden ohne Weiteres auf eine beliebige Anzahl Mitarbeitende erhöht werden", heisst es in der Antwort. Jedoch sei durch das generelle Homeoffice sichtbar geworden, wo es in der persönlichen Arbeitsweisen noch Potential zur Verbesserung gebe. Bei den mobilen Arbeitsgeräten musste teilweise auf die persönliche Infrastruktur der Mitarbeitenden zurückgegriffen werden.

 

Problematische Enge

Die heutigen räumlichen Verhältnisse haben sich gemäss dem Ressort Umwelt und Liegenschaften in zwei Punkten erschwerend auf die Arbeit ausgewirkt. Einerseits stellten die alten Verkabelungen und Kupferleitungen ein Hindernis für die gesamte Digitalisierung dar. Andererseits hätten die Vorgaben des Bundes aufgrund der beengten Platzverhältnisse bei Vollbestand der Mitarbeitenden nicht in jedem Fall umgesetzt werden können. In den Grossraumbüros konnte nicht genügend gelüftet werden, gemeinsam genutzte Arbeitsplätze mussten täglich desinfiziert werden.

 

"Die dezentralen Standorte hatten zur Folge, dass für alle sechs Schalterstandorte die Vorschriften des BAG umgesetzt werden mussten", so das Ressort Umwelt und Liegenschaften weiter. Dementsprechend hätten alle Schalter mit Desinfektionsständer und Schalterschutz ausgerüstet und alle Schalter mehrmals täglich desinfiziert werden müssen. "Unnötige Laufkundschaft" entstand zudem, wenn Kund*innen das falsche Gebäude für ihr Anliegen aufsuchten, und als nicht ideal erwies sich das Teilen der Toilettenanlagen durch Kund*innen und Mitarbeitende.

 

Insofern achte die Projektgruppe des neuen Verwaltungsgebäudes nun speziell auf eine direkte und zentrale Anlaufstelle für die Bedürfnisse derBürger*innen, ein klares Zonenkonzept, welches die Kunden- und die Arbeitszone trennt, eine flexible Raumstruktur, flexibel nutzbare Sitzungsräume, angemessene Lüftungsmöglichkeiten und die Weiterentwicklung der ICT-Infrastruktur.


Autor:in
Isabelle Berger, isabelle.berger@bern-ost.ch
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Erstellt: 18.09.2020
Geändert: 18.09.2020
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