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Peter Schmid: "Die Gemeinde ist mein Verein"

Wie gelingt es kleinen Gemeinden, eine Fusion zu umgehen? Der Oppliger Gemeindepräsident Peter Schmid (56) hat eine klare Vorstellung davon. Im Interview mit BERN-OST spricht er über gemeindeübergreifende Zusammenarbeit, aber auch über die Chancen eines Gemeindewachstums und darüber, was Oppligen cool macht.

"Die landschaftliche Einbettung unserer Gemeinde ist mega cool": Peter Schmid im Garten seines Eigenheims in Oppligen. (Bild: Isabelle Berger)

BERN-OST: Peter Schmid, warum engagieren Sie sich als Gemeindepräsident in Oppligen?     

Peter Schmid: Weil wir im Kern ein familiäres Dorf sind. Es ist nicht ein politisch, insbesondere parteipolitisch geprägtes Dorf. Man ist hier froh, wenn sich jemand engagiert. Meine Motivation ist auch, dem Dorf etwas zurückzugeben, für die lange Zeit, die ich hier wohne.

 

Oppligen hat rund 650 Einwohner:innen. Hat man als Präsident:in einer kleinen Gemeinde weniger zu tun als in einer grossen?

Das kann man so nicht sagen. Ich habe das Gefühl, es ist eher das Gegenteil. Man übernimmt noch mehr Aufgaben, weil sie nicht anderweitig delegiert werden können. Es kommt auch darauf an, wieviel man in das Amt reingeben will. Ein Beispiel ist die Digitalisierung, die wir in den letzten Jahren vorangetrieben haben. Die umliegenden Gemeinden schauen auf uns, weil wir Vorreiterin waren. Wir hätten auch nur das Nötigste machen und nur für uns schauen können. Aber ich habe das Gefühl, das holt einen irgendwann ein.

 

Hier kennt man sich. Ein Gemeinderat kann es nicht immer allen recht machen und als Gemeindepräsident sind Sie besonders exponiert. Wie gehen Sie mit der Nähe zur Bevölkerung um?

Ich versuche, für alle gleich greifbar zu sein und niemanden zu bevorzugen. Diskussionen auf der Sach- und nicht auf der emotionalen Ebene zu führen, ist wichtig. Wie gesagt, man ist dankbar, wenn jemand so ein Amt übernimmt. Und wenn es jemand gut macht, haben wir keine "Stürmereien" im Dorf.

 

Sie sind Mitglied der Geschäftsleitung der Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) und wollen sich dort für die Anliegen der kleinen Gemeinden einsetzen. Welche Anliegen hat Oppligen, die mit seiner geringen Grösse zu tun haben?

Oppligen hat keine speziellen Anliegen. Es geht darum, dass man generell auch die Interessen der kleinen Gemeinden wahrnimmt und nicht nur die der grossen, und dass man die Zusammenarbeit unter den kleinen Gemeinden stärkt. Meistens sind die Themen in der RKBM überladen von bevölkerungsgetriebenen Anliegen, die bearbeitet werden müssen. In bevölkerungsreichen Gemeinden gibt es mehr zu tun, wenn es um Infrastruktur und Verkehr geht, als in den kleinen Gemeinden.

 

Oppligen ist in den letzten zehn Jahren um rund zehn Prozent gewachsen. Spüren Sie das und was bedeutet es für ihre Arbeit als Gemeindepräsident?

Wir sind gewachsen und wachsen noch weiter. In den letzten zwei Jahren sind hier 40 zusätzliche Wohnungen gebaut worden oder sind noch im Bau. Das bedeutet sicher Gutes für die Schule, indem wir den Schulbetrieb aufrechterhalten können. Das ist sehr wichtig für ein Dorf. Wenn man irgendwohin zieht mit kleinen Kindern, ist es ein Vorteil, wenn es im Dorf eine Schule hat. Zehn Prozent klingt nach viel, ist aber ein moderates Wachstum. Es sind teilweise auch kleine Wohnungen, welche Leute beziehen, die das hier als Schlafort brauchen. Wir haben aber auch Wohnungen im Bau, die Familien ansprechen. Es wird spürbar sein im Dorf, wenn Familien mit Kindern herziehen.

 

Wenn Sie Schlafort sagen, denke ich sofort an Schlafdorf. Der Begriff ist negativ behaftet. Stört es nicht, wenn Leute nur zum Schlafen herkommen?

Stören tut es nicht, aber wir haben gerne Leute, die sich am Dorfleben beteiligen. Wir haben ein paar Vereine und sind dankbar, wenn diese am Leben bleiben. Auch die Gemeindeversammlung ist nicht überbevölkert. Das ist ein Bild, das man vielerorts sieht. Ich selber war aber auch so. Ich war berufsgetrieben. Meine Frau war aktiver im Dorf als ich.

 

Haben Sie sich beruflich Freiraum geschaffen für das Amt?

Nein, es hat sich so ergeben. Mit der Digitalisierung ist es auch praktisch: Man muss nicht mehr täglich aufs Büro, sondern kann vieles per Mail in wenigen Minuten erledigen. Beim Job habe ich nicht Zeit gekürzt. Es würde sich auch finanziell nicht rechnen. Solche Ämter sind nicht gut bezahlt.

 

Stört Sie das generell? Es hält ja auch Leute davon ab, so ein Amt zu übernehmen.

Was mich stört, ist, dass es sehr ungleich ist. Die Differenzen sind erheblich von Gemeinde zu Gemeinde. Überall gibt es Vorgaben vom Kanton, aber gerade bei den Entschädigungen gibt es keine Anhaltspunkte. Und es ist schwierig, sich in der laufenden Legislatur den Lohn zu erhöhen.

 

Sie sind Immobilientreuhänder von Beruf. Wo profitiert die Gemeinde von Ihrem Wissen als Profi?

Sicher vom Sachenrecht und davon, dass ich einen Betrieb mit hundert Leuten geführt habe. Damit habe ich Führungserfahrung gesammelt, auch im Leiten von Ausschüssen, Versammlungen und in der Personalführung. Die Gemeinde kann auch von meinem Fachwissen bei der IT profitieren. Ich bin zudem in Freimettigen aufgewachsen und habe ein Bauernlernjahr gemacht. Dadurch habe ich immer einen Bezug zur Landwirtschaft gehabt. Darum sind mir die Anliegen aus der Landwirtschaft auch nicht fremd.

 

Zwischen Oppligen und Kiesen gibt es enge Bande. Mehrere Vereine und die örtliche SVP laufen unter beiden Namen. Welche Bedeutung hat diese Verbindung für die Gemeinde?

Ich würde es noch grösser fassen. Es betrifft fünf Gemeinden mit ähnlicher Grösse: Kiesen, Oppligen, Brenzikofen, Herbligen und Jaberg. Unter diesen Gemeinden findet ein Austausch statt und mein Bestreben ist es, diesen Austausch zu stärken, weil das gleichzeitig auch die Unabhängigkeit fördert. Je mehr man zusammenarbeitet, desto weniger kommt ein Fusionsdruck auf. Für mich ist eine Fusion keine Lösung. Das Zusammenarbeiten ist eine. Meine Erfahrung ist, dass Gemeinden, die fusioniert haben, mehrheitlich verlieren. Sie verlieren nicht nur einen Teil ihrer Eigenständigkeit, sondern sie profitieren auch nicht unbedingt finanziell und das politische Engagement der Bürger:innen sinkt tendenziell, je grösser die Gemeinde ist.

 

Steht die Frage nach einer Fusion in Oppligen überhaupt im Raum?

Nein, das ist kein Thema.

 

Wie kann man denn konkret zusammenarbeiten?

Auf der Ebene der Gemeindeverwaltung. Das machen wir auch schon. Wir haben im Kanton Bern einen unerhörten Fachkräftemangel. Vor allem in der Verwaltung, teilweise bei den Werkhöfen und auch Lehrlinge werden gesucht. Wenn man für mehrere Gemeinden gemeinsam Personal rekrutieren könnte, würde das den Job interessanter machen. Das setzt aber voraus, dass die Gemeinden ähnlich unterwegs sind, zum Beispiel von den Büros oder von der IT-Struktur her.

 

Was prägt Ihrer Meinung nach den Charakter von Oppligen am meisten?

Wir sind ein familiäres Dorf. Was mich beeindruckt, ist die offene Haltung, insbesondre auch von landwirtschaftlicher Seite. Wir haben sehr viele innovative Betriebe hier. Wir haben einen der ersten Schweizer Bio-Landwirtschaftsbetriebe hier und eine der ersten mehrsortigen Kürbisanbauten. Wir sind zudem eine Mischung aus Kiesen- und Aaretaler:innen. Wir können aussuchen, wohin wir gehören. Beispielsweise haben wir die Oberstufe und die Kirche im Aaretal, aber die Wehrdienste im Kiesental.

 

Sie sind parteilos. Wo ordnen Sie sich wertemässig in der politischen Landschaft am ehesten ein?

Keiner Partei. Mir sind bürgerliche Anliegen ebenso wichtig wie soziale. Darum bin ich parteilos. Irgendwo zwischendrin.

 

Neben Ihnen sind auch alle anderen Oppliger Gemeinderät:innen parteilos. Welchen Einfluss hat das auf die Politik der Gemeinde und was wäre anders, wenn Parteien eine Rolle spielten?

Es macht es sicher einfacher, wenn alle parteilos sind, auch wenn ich es nicht direkt vergleichen kann. Es sind trotzdem fünf verschiedene Meinungen am Tisch. Aber selbst wenn hier im Dorf jemand einer Partei angehören würde, wäre das nicht etwas, was die Zusammenarbeit beeinträchtigen würde.

 

Welches Geschäft hat in Ihrer Amtszeit als Gemeindepräsident bis jetzt am meisten an Ihren Nerven gezehrt?

An den Nerven gezehrt kann man nicht gerade sagen, aber die digitale Transformation und natürlich dann auch die Coronapandemie haben uns alle gefordert. Zum Start meiner Amtszeit gab es auch gerade einen Wechsel in der Gemeindeverwaltung. Gemeindeschreiberin und Finanzverwalterin Cornelia Gehrken und ich haben einen Neustart gehabt. Es gab recht viele Änderungen. Wir haben eine lange Pendenzenliste gehabt und viel abgearbeitet. Heute sind wir froh darum.

 

Was war das Schönste, was Sie als Gemeindepräsident tun durften?

Die Gemeindeversammlungen leiten. Das mache ich gerne. Es ist schön, wenn man zusammenkommen und den Leuten Rede und Antwort stehen kann. Aber auch die Zusammenarbeit im Gemeinderat ist bereichernd. Ich kann aber nicht wirklich etwas herauspicken.

 

Sie bestreiten derzeit Ihre zweite Legislatur. Kandidieren Sie wieder?

Das ist noch offen. Ich bin dann 60. Dann gibt es eine Neubeurteilung.

 

Was gefällt Ihnen persönlich besonders an Oppligen und was nicht?

Obschon wir eine rege Durchfahrtsstrasse mit 14 000 Autos pro Tag haben, finde ich die landschaftliche Einbettung mega cool. Sie bietet für Jung und Alt Bewegungsmöglichkeiten, weil es flach ist. Oppligen ist gut erschlossen, weil wir einen Autobahnanschluss und in Kiesen und Brenzikofen Bahnhöfe mit guten Verbindungen nach Thun und Bern haben. Es dünkt mich ein gutes Dorf. Ich würde mich wahrscheinlich in einer grösseren Gemeinde weniger engagieren. Spontan fällt mir nichts ein, was mir nicht gefällt.

 

Sind sie aktiv in einem Verein in der Gemeinde?

Nein. Im Moment bin ich in keinem Verein mehr. Ich habe lange Eishockey gespielt, aber irgendwann ist man zu alt dafür. Lange war meine Freizeitbeschäftigung das Haus und die Familie. Wie haben hier viel selber gemacht. Am meisten Zeit in Anspruch nahm der Job. Jetzt ist die Gemeinde ein bisschen mein Verein.

 

Der bekannte Musiker Gölä stammt aus Oppligen. Kennen Sie ihn persönlich? Mögen Sie seine Musik? Oder was hören Sie sonst gerne?

Ich kenne ich nicht persönlich, aber habe ihn einmal beim Skifahren getroffen. Ich weiss, wo er aufwuchs. Die Musik gefällt mir. Ich habe selber Volksmusik gemacht, bin aber Bluesfan und höre gerne klassische Musik. Zur Volksmusik habe ich den Draht etwas verloren, aber es war eine prägende Zeit in meinem Leben. Ich habe in jungen Jahren in einer Formation Schweizerörgeli gespielt.

 

[i] Peter Schmid wurde 2016 in den Gemeinderat gewählt. Seit 2018 ist er Gemeindepräsident. Letztes Jahr wurde er für eine weitere Legislatur bis 2025 bestätigt. Nach acht Jahren in Brenzikofen, zog er mit seiner Frau und den beiden mittlerweile erwachsenen Kinder 2005 nach Oppligen in ein Eigenheim.


Autor:in
Isabelle Berger, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 26.06.2022
Geändert: 28.06.2022
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