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Pfarrer Harald Doepner: "Menschen fangen Kriege an, Gott nicht"

Harald Doepner ist seit 14 Jahren Pfarrer in Zäziwil. Im Gespräch mit BERN-OST sagt er, warum Ostern das wichtigste Fest ist und was er zu einem Menschen aus der Ukraine sagen würde. Einer Person, die durch den Krieg alles verloren hat.

Pfarrer Harald Doepner wohnt seit 14 Jahren in Zäziwil. (Fotos: Rolf Blaser)
Harald Doepner: "Menschen zocken an Börsen auf Erdgas, Öl und fangen Kriege an. Gott nicht."
Die Kirche Zäziwil wurde vom Berner Architekten Werner Küenzi 1964 erbaut.

Pfarrer Harald Doepner (46) erwartet mich vor der Kirche in Zäziwil. Er ist Deutscher, arbeitet seit Jahren als Pfarrer in Zäziwil.

 

BERN-OST: Herr Doepner, wie kam das, dass Sie in Zäziwil landeten?

Harald Doepner: Ich bin in Norddeutschland geboren und in Bayern aufgewachsen. Von der Gegend her, war das ähnlich wie hier. Ich komme aus einer reformierten Kirche mit Wurzeln bei den Hugenotten. Als ich auf der Suche nach einer Pfarrstelle war, war die Schweiz eine normale Perspektive. In Bayern gab es keine freie Pfarrstelle, also bewarb ich mich in Zäziwil.

 

Da Sie schon 14 Jahre hier sind, scheint es Ihnen zu gefallen.

Ich bereue den Schritt nicht. Ich hatte mehr Glück als Verstand.

 

Was bedeutet Ostern für Sie?

Alles. Ostern ist der Ausgangspunkt und der Grund für alle anderen christlichen Feste. Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, wäre Karfreitag nichts anderes als ein Totengedenken. Dann würde es auch Weihnachten nicht geben. Durch die Auferstehung ist den Jüngern klar geworden, welche Dimension das Leben von Jesus hatte. Ohne Ostern, den Glauben an die Auferstehung, gäbe es die christliche Kirche nicht.

 

Hatten sie auch mal Zweifel an der Auferstehung?

Ich habe für mich jeden Stein umgedreht, weil ich mich auf etwas abstützen will, das verlässlich ist. Ich bin kein Hokuspokus-Typ. Die Auferstehung war singulär. Ich behaupte also nicht, dass die Auferstehung meinem Erfahrungsschatz entsprechen kann. Da muss etwas Verrücktes passiert sein.

 

Zur Erklärung des Osterglaubens gibt es ja eigentlich nur ein paar Möglichkeiten: Man könnte sagen, der Leichnam ist gestohlen worden. Oder: Man könnte sagen, das Grab war gar nicht leer. Ich sehe jedoch keinen Grund daran zu zweifeln, dass damals etwas Ausserordentliches passiert ist. Sagen wir es so: Der Leichnam ist feinstofflich geworden, er ist transzendiert, ich halte das für denkbar.

 

Wie verbringen Sie Ostern?

Mit der Vorbereitung der kirchlichen Festivitäten, mit der Familie, im Gottesdienst. Ich nehme mir Zeit dafür, ich entschleunige ein wenig. Ich denke darüber nach, was Ostern im Jahr 2022 bedeuten kann. Ich überlege mir, was die Leute jetzt brauchen.

 

Was könnte Ostern im Jahr 2022 bedeuten?

Ich lasse mich gerne von anderen Menschen inspirieren. Neulich sagte jemand: "Das Leben ist kein Jammertal." Das ist eine kurze Zusammenfassung, was uns Ostern angeht. Das feiern wir an Ostern. Wir wollen zu Ostern also das Vertrauen an das Gute stärken. Gerade jetzt, wo so vieles im Argen liegt.

 

Wie erklären Sie das jemandem aus Mariupol? Einer Person, deren Freunde tot sind, deren Wohnung durch den Krieg zerstört wurde?

So ein Mensch braucht Nähe, Trost und Zuwendung, wahrscheinlich weniger eine kluge Erklärung. Vielleicht stellt er oder sie sich die Frage: Gott, warum hast du mich verlassen? Dieses Gefühl ist legitim. Zunächst sollte man sich daran erinnern, wer dieses Leid ausgelöst hat. Das waren Menschen, nicht der liebe Gott.

 

Wir sind keine Marionetten, wir sind frei. Wir können die Freiheit missbrauchen oder zum Guten nutzen. Je mehr Menschen sich dem öffnen, desto weniger Leid wird es geben. Man kann diesen Krieg nicht Gott in die Schuhe schieben, sondern die Menschen haben ihn zu verantworten. Menschen zocken an Börsen auf Erdgas, Öl und fangen Kriege an. Gott nicht.

 

Sie sagten vorhin "das Gute stärken", das klingt für uns hier in der Schweiz einfach. Nicht aber für jemanden auf der Flucht vor dem Krieg. Wie erklären Sie dieser Person, dass sie das Gute sehen soll?

Ganz einfach durch Taten. Wenn die Person merkt, andere Menschen unterstützen sie, dann erlebt sie christliche Nächstenliebe und kann wieder an das Leben glauben. Sie hat Schreckliches erlebt, aber sie spürt: nicht alle Menschen sind schlecht. Genau das gleiche erleben wir auch hier im Dorf. Wenn Menschen jemanden verlieren, wenn jemand stirbt, kann man das nicht schönreden. Aber man kann ihnen Hand bieten und sie begleiten, ihnen Nähe und Zeit schenken, den Trauerweg mitgehen.

 

Was gibt es an Ostern bei Ihnen zu essen?

(Lacht) Da müssen Sie meine Frau fragen. Es könnte sein, dass es am Karfreitag Fisch gibt, aber es ist kein Muss.

 

Mit Ostern endet die 40-tägige Fastenzeit, haben Sie gefastet?

Nein. Beim klassischen Fasten geht es um den Verzicht von Alkohol, Sex und Fleisch. Heutzutage fasten viele und verzichten auf Schokolade oder Ebay. Seit ich Student bin, habe ich keinen Fernseher. Ich faste also beim Fernsehen. Beim Fasten sollte man auf etwas verzichten, das einen schwächt. Ich habe damals als Student gemerkt, dass mich Fernsehen schwächt. Ich wollte das nicht, deshalb liess ich das sein.

 

Kommen an Ostern mehr Leute in die Kirche als sonst?

Ja klar. Wir feiern Karfreitag und Ostern mit einem Abendmahl, weil es in der Coronazeit nicht ging. Es soll ein fröhliches geselliges Miteinander werden. Es soll einen stärken.

 

Stört es Sie, wenn nur wenig Leute in die Kirche kommen?

Natürlich hätte ich gerne volle Auslastung. Ich möchte, dass jeder Platz besetzt ist. Aber ich will mich nicht beklagen, die Kirche in Zäziwil ist ganz gut besucht. Spiritualität ist den Leuten wichtig.

 

Warum findet der Gottesdienst am Sonntagmorgen statt?

Sonntag ist der Auferstehungstag Jesu. Das ist die liturgische Erklärung. Wir hatten auch mal Abendgottesdienste gehabt, auch sonntags. Wir sind dabei, das wieder aufzubauen.

 

Sie sagen, Sie wollen die Leute in der Kirche nicht langweilen – wie machen Sie das?

Das sollte selbstverständlich sein. Man sollte auf der Kanzel stets daran denken: Die Botschaft ist kostbar und die Zeit ist wichtig. Der Mensch, der in die Kirche kommt, soll beschenkt nach Hause gehen. Die Menschen sollen nach der Predigt gesegnet und froh die Kirche verlassen. "Er zog seines Weges fröhlich", heisst es in der Apostelgeschichte.

 

Wenn die Menschen zum Gottesdienst kommen, wollen sie keinen wissenschaftlichen Vortrag hören. Sie wollen Futter. Niemand geht aus Prestigegründen in die Kirche oder weil sie müssen. Sondern weil sie etwas suchen, und sie sollen es auch bekommen.

 

[i] Harald Doepner ist verheiratet und hat zwei Kinder. Mit seiner Familie wohnt er im Pfarrhaus in Zäziwil. Grosshöchstetten, Zäziwil, Mirchel, Bowil und Oberthal gehören zur Kirchgemeinde Grosshöchstetten.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 15.04.2022
Geändert: 15.04.2022
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