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Rubigen - "Er wollte Sex – sie nicht"

Ein Mann und eine Frau trinken zusammen ein Glas Wein. Danach will der Mann Sex. Die Frau sagt Nein. Er bedrängt sie trotzdem. Am Mittwoch wurde der Täter zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt.

Ein Mann aus der Region wurde wegen sexueller Nötigung und versuchter Vergewaltigung verurteilt. (Bilder: Symbolbilder pixabay.com)

Im Dezember 2019 haben sich die beiden spontan zu einem Treffen verabredet. Damals kannten sie sich schon seit ein paar Jahren. Am Tag davor hatten sie Kontakt per Whatsapp. Die Frau (39) hat dem Mann (42) vorgeschlagen, ihn zu besuchen. Sie hat geschrieben, dass sie keinen Sex mit ihm will. Dennoch versuchte der Mann im Verlauf des Abends ihr Pullover und BH auszuziehen.

 

Sie dreht sich ab

Sie habe sich gewehrt, habe gesagt, dass sie das nicht will. Worauf der Mann sie weiter bedrängte. Die Frau habe sich abgedreht, als er sie zum Sex aufforderte. Er habe ihr die Hosen runtergezogen und sie an mehreren Stellen berührt. Sie habe die Beine zusammengepresst, um sich zu schützen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er gefragt, ob sie keinen Sex wolle. Als sie dies ein weiteres Mal verneinte, liess er sie in Ruhe.

 

Er dachte, es sei ein Spiel

Die Klägerin und der Angeschuldigte waren beide anwesend bei der Hauptverhandlung vor dem Regionalgericht Bern. Beide bestätigten mehr oder weniger den Verlauf dieses Abends. Als der Richter den Angeklagten fragte, warum er weitergemacht habe, obwohl die Frau "Stopp" sagte, antwortete er: "Es war für mich nicht überzeugend, dass sie nicht will. Ich dachte, sie will sich zieren." Beide hatten früher einige Male Sex miteinander.

 

Da sei es manchmal auch so gewesen, dass sie erst nicht wollte und sie danach aber Sex hatten, sagte der Angeklagte. Zudem hätten sie beim letzten Treffen vor einem Jahr ein Codewort vereinbart. Wenn das Codewort "rot" fällt, würde das heissen, dass sie keinen Sex will. Da die Frau das Codewort nicht sagte, habe er gedacht, es gefalle ihr.

 

Codewort mit anderem Mann

Die Klägerin sagte vor dem Berner Regionalgericht, das stimme nicht. Sie hätten nie ein Codewort vereinbart. Was stimme sei, dass sie mehrere Male Sex zusammen gehabt hätten. Sie habe ihm erzählt, dass sie mit einem früheren Freund mal ein Codewort hatte. Aber mit dem Angeschuldigten hatte sie keine solche Abmachung.

 

24 Monate gefordert

Die Staatsanwältin forderte eine bedingte Gefängnisstrafe von 24 Monaten. Die Aussagen der Frau seien sehr glaubwürdig gewesen. Sie habe sich nie widersprochen, habe den Abend glaubhaft geschildert. Zudem habe sie den Mann nicht übermässig beschuldigt. "Sie beschreibt ihn auch danach als umgänglich, nett und hilfsbereit."

 

An diesem Abend habe sie ihm gesagt, dass sie keinen Sex wolle. Der Angeschuldigte interpretierte dies als Rollenspiel. Das sei eine Schutzbehauptung, sagte die Staatsanwältin. Die Klägerin wehrte sich und sagte mehr als einmal er solle aufhören. Er ignorierte dies und setzte sich darüber hinweg. Hätten sie ein Codewort vereinbart, dann hätte sie es benutzt.

 

Der Angeschuldigte war ihr kraftmässig überlegen. Er hätte merken müssen, dass es kein Rollenspiel ist. Er setzte sich über ihren Willen hinweg. "Das erfüllt den Tatbestand der sexuellen Nötigung." Die Staatsanwältin forderte 16 Monate für versuchte Vergewaltigung und acht Monate für sexuelle Nötigung.

 

4'000 Franken Genugtuung

Die Anwältin der Klägerin sieht den Tatbestand der sexuellen Nötigung und der versuchten Vergewaltigung als erfüllt. Sie forderte eine Genugtuung von 4'000 Franken. "Nein bedeutet Nein, das muss jedem Mann klar sein." Es sei eine versuchte Vergewaltigung gewesen, diese hätte nur nicht stattgefunden, weil der Angeschuldigte in dem Moment eine Erektionsstörung hatte. "Er wollte Sex, sie nicht", sagte die Anwältin der Frau.

 

Verteidigung will Freispruch

Der Verteidiger des Angeklagten forderte einen Freispruch. Er sagte: "Der Besuch, ein Glas Wein, die gute Stimmung und zuvor ähnliche Begegnungen, die zu Sex führten. Dies habe den Angeschuldigten darin bestärkt, dass es auch an diesem Abend zum Sex kommt."

 

Erst als sie die Beine zusammenpresste realisierte er, dass sie nichts wollte. Der Angeschuldigte sei stets von einem Rollenspiel ausgegangen. Er habe sich zwei Tage später per Whatsapp entschuldigt. Er habe sie nicht verletzen wollen.

 

Ein seltener Fall

Der Gerichtspräsident sagte bei der Urteilsbegründung: "Es ist selten, dass alles was passiert ist, von den Beteiligten gleich geschildert wird." Er sei kein Richter, der dafür sei, dass man vor dem Sex alles regeln müsse. "Ich bin aber ein Richter, der davon ausgeht, dass ein klares Nein auch Nein bedeutet. Was hätte sie noch machen sollen, um zu zeigen, dass sie keinen Sex will?" Die Whatsapp waren klar. Es ging um ein freundschaftliches Treffen ohne Sex. Dies kam beim Angeklagten nicht an.

 

Das Urteil

Der Richter verurteilte den Angeklagten zu einer 22-monatigen Freiheitsstrafe, bedingt auf zwei Jahre. Der Verurteilte muss zudem für die Gerichts- und Verfahrenskosten von rund 20'000 Franken aufkommen. Der Klägerin muss er eine Genugtuung von 4'000 Franken bezahlen. Zum Abschied sagte der Gerichtspräsident: "Ich hoffe, wir sehen uns in diesem Saal nicht wieder."


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 27.01.2022
Geändert: 27.01.2022
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