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Rubigen - Neue Töne aus der Mühle Hunziken

Quelle
Berner Zeitung BZ

Vor rund 100 Tagen startete die Mühle Hunziken in die erste Saison ohne Mühle-Pesche Peter Burkhart. Der charismatische Patron wurde von einem Dreierteam abgelöst. Sachte hält das 21. Jahrhundert nun im Kultlokal Einzug: Reservationen sind jetzt online möglich und es gibt ein Mühle-Hunziken-App.

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«Loslassen tut immer weh»: Nach über 30 Jahren übergibt «Mühli-Pesche» (im roten Schal) das Zepter an seine Nachfolger Christoph Fankhauser, Philipp Fankhauser und Thomas Burkhart (v. links). (Bild: Urs Baumann)
Die Mühle Hunziken ohne Mühle-Pesche? Noch vor einem halben Jahr war das kaum vorstellbar. Peter Burkhart baute das Konzertlokal in Rubigen auf und prägte es über 30 Jahre lang mit seiner leidenschaftlichen, charmanten und manchmal hitzigen Art. Er besass – und besitzt weiterhin – kein Handy, lange hatte er auch keine Mailadresse. Wenn man Tickets für ein Konzert reservieren wollte, musste man aufs Band sprechen und Burkhart notierte sich den Namen von Hand.

 

Nach 3000 Konzerten war im Juni schliesslich Schluss, Pesche Burkhart, mittlerweile 69, wollte nicht mehr und übergab die Mühle Hunziken seinem Sohn Thomas, dem Thuner Bluesmusiker Philipp Fankhauser und dessen Bruder Christoph. «Jemanden wie Mühle-Pesche kann man nicht mit einer Person ersetzen», sagt Philipp Fankhauser. Im September schied Burkhart offiziell aus dem Unternehmen aus, nagelte zum Abschied die roten Schuhe – sein Markenzeichen – an die Wand der Mühle Hunziken, und wanderte nach Frankreich aus.

 

Zigarrentasting für Firmen

 

Als sich das neue Dreierteam Ende Juni der Öffentlichkeit vorstellte, schien vieles noch unklar, ausser, dass man den eingeschlagenen Kurs nicht komplett ändern wollte. Wie sieht es heute aus, nach rund hundert Tagen Mühle-Hunziken-Saison unter neuer Leitung? «Von grundlegenden Neuerungen sehen wir ab, etwas frischen Wind lassen wir aber gerne rein», sagt Thomas Burkhart. So hat das 21. Jahrhundert mittlerweile auch in der Mühle Hunziken sachte Einzug gehalten: Die Reservationen sind neu auch per Internet möglich, «stolz sind wir auch auf das Mühle-Hunziken-iPhone-App», führt Burkhart aus. Und musikalisch? «Natürlich liegen meine ganz persönlichen Schwerpunkte im Blues und Soul», sagt Philipp Fankhauser. «Da wir aber vieles im Team besprechen und entscheiden, besteht nicht die Gefahr, dass das Programm zu einseitig werden wird.» Konkretes zum musikalisches Profil will das Dreiergespann noch nicht verraten. Nur: «Das Musikangebot wird mehr Schweizer Künstler aufweisen.» Es stünden viele Ideen im Raum, so Fankhauser, etwa ein Blues-Festival, Live-Übertragungen in Radio und Fernsehen aus der Mühle, Live-Aufnahmen mit eigenem Label oder ein Lounge-Betrieb ohne Konzerte. «Möglich sind auch Partnerschaften mit Festivals und anderen Clubs und wir denken an den Einbezug der Schweizer Wirtschaft für Privatanlässe.» Die Idee von einem privaten Firmenevent mit Konzert und Whisky-, Wein- oder Zigarrentasting gehe ihnen nicht mehr aus dem Kopf, verrät Philipp Fankhauser.

 

Fankhauser öffnet Türen

 

Bei der neuen Leitung steht die Teamarbeit im Zentrum. Thomas Burkhart führt offiziell den Vorsitz der Geschäftsleitung, «er ist es auch, der der Mühle das Gesicht und die Seele geben wird. Er war ja auch die letzten 25 Jahre dabei und hat viel dazu beigetragen, dass die Mühle zu dem wurde, was sie heute ist», sagt der Thuner Bluesmusiker. Christoph Fankhauser unterstützt Burkhart in allen administrativen Belangen. Und Philipp Fankhauser? «In erster Linie bleibe ich Musiker. Ich spinne im Hintergrund an meinem Beziehungsnetz und versuche, Türen und Tore zu befreundeten Künstlern zu öffnen.»

 

Dass gerade Philipp Fankhauser ein Nachfolger von Pesche Burkhart werden würde, hätte lange niemand gedacht. Fankhauser und Burkhart lagen 17 Jahre lang im Streit, der Musiker hatte in der Mühle gar Hausverbot. «Fankhauser und ich sind Seelenverwandte. Wir leiden beide an Selbstüberschätzung und Grössenwahn. Und wir sind besessen von dem, was wir tun. Das hat dazu geführt, dass wir jahrelang zerstritten waren», sagte Burkhart gegenüber dieser Zeitung. Letztes Jahr hat man sich wieder versöhnt, Fankhauser gab ein «Comeback»-Konzert und wurde von Burkhart angefragt, sich in der Mühle zu engagieren.

 

Pesches Tränen

 

Dass es vor und während des Übergabeprozederes offenbar trotzdem diverse Unstimmigkeiten gab, wollen die drei nicht kommentieren. «Unser Fokus richtet sich voll und ganz auf einen reibungslosen Ablauf der Konzerte, und wir wollen die Mühle Hunziken gemeinsam vorwärts bringen», betont Christoph Fankhauser. Und Mühle-Pesche? Er hat sich ganz aus der Mühle zurückgezogen. «Er war und ist sicher nicht als die pflegeleichteste Person bekannt, wir haben ja unsere Vorgeschichte.

 

Aus diesem Grund hätte ich auch Mühe, wenn er noch mitentscheiden möchte», sagt Philipp Fankhauser. Er habe aber grossen Respekt davor, wenn jemand so loslassen könne. Wie geht es Burkhart damit? Er will zurzeit keine Auskunft über sein Befinden geben. Fürs Jubiläumskonzert der Berner I Salonisti kehrte Mühle-Pesche vor zwei Wochen erstmals in die Mühle Hunziken zurück. Er kämpfte gegen die Tränen an, als er die Band auf der Bühne mit zittriger Stimme ansagte.

Autor:in
Maria Künzli, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 20.12.2011
Geändert: 20.12.2011
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