• Region

Rüedu Biglen: Hokus pokus verschwindibus

Die langgehegte Hoffnung hat sich zerschlagen: Die Rüedu-Filiale in Biglen kommt definitiv nicht mehr in die Gänge – vor einigen Wochen verschwand der Container ganz still. Auch andernorts in der Region sind die Rüedu-Filialen verschwunden, einzige Ausnahme ist Worb. Warum läuft das Rüedu-Konzept im Osten von Bern einfach nicht rund?

Seit über einem Jahr zu, vor ein paar Wochen still verschwunden: Rüedu Contain in Biglen. (Foto: Archivbild BERN-OST)

Irgendwann in den letzten Wochen, Gemeindepräsident Urs Schweizer kann nicht einmal genau sagen wann, war der Rüedu-Container gegenüber der Coop-Filiale aus Biglen verschwunden. Er sei gar nicht mehr dazu gekommen, sich einmal mit den Rüedu-Betreiber:innen auszutauschen, bedauert er. «Dabei hätte ich an sich begrüsst, in meiner Gemeinde eine breite Palette an Angeboten zu beherbergen.»

 

Witzig: Einsprachefrist läuft noch

Was jetzt in Biglen noch an Rüedu erinnert, ist nur eine Baupublikation – eine nachträgliche: «Bauvorhaben: Abbruch eines mobilen Containerladens zum Verkauf von Lebensmitteln», ist zu lesen. Die Publikaton wurde der Ordnung halber am 20. Februar eingereicht, denn was eine Aufbaubewilligung braucht, muss auch beim Abbau bewilligt werden. Und wenn es nicht bedauerlich wäre, könnte man ein bisschen lachen: Die Auflage- und Einsprachefrist, heisst es dort nämlich, laufe noch bis 31. März 2025.

 

Holprig von Anfang an

Wer sich jetzt aber gegen den Abbruch wehren möchte, kommt eindeutig zu spät. Die Rüedu-Filiale in Biglen hatte von Anfang an einen harten Stand: Im November 2022 wurde sie eröffnet, ein knappes Jahr später schon wieder vorübergehend geschlossen. Auch die Spargelsaison brachte, anders als erhofft, keinen Aufschwung.

 

Bei Nichtbedarf kurzum weg

Für das Rüedu-Team Grund genug, den Standort in Biglen definitiv aufzuheben und den Container abzubrechen. Das entspricht dem üblichen Vorgehen bei Rüedu: «Bewährt sich ein Standort und wird rege genutzt, bleiben wir vor Ort», erklärt Marketingmanagerin Aline Roesti. «Andernfalls ziehen wir weiter – in ein anderes Quartier oder an einen neuen Ort, wo wir neue Kundinnen und Kunden mit frischen, regionalen Produkten erfreuen können.»

 

Flexibilität ist Trumpf

Dass der Standort offenbar zu wenig genutzt wurde, ist für das Rüedu-Team nicht allzu dramatisch: «Das Ladenkonzept von Rüedu ist seit Beginn an auf Flexibilität ausgelegt», heisst es. Die Gründe, warum es am einen Ort super läuft, am anderen gar nicht, sind nicht immer offensichtlich. In Biglen ist Urs Schweizer auch schon zu Ohren gekommen, dass sich einige daran störten, dass man sich mit der Handynummer registrieren muss. Dies allerdings ist eine verständliche Massnahme des Rüedu-Teams, um sich gegen allzu viele Gelegenheitsdiebstähle im rund um die Uhr geöffneten Selbstbedienungsladen zu schützen.

 

Biglen hat zu viele gute Angebote ...

Und es sei wohl auch nur ein Grund unter vielen, sagt Schweizer: Biglen habe halt auf kleinem Raum eine Metzgerei, Käserei und Bäckerei, zählt er auf, daneben bieten Gemüsebau Guggisberg in Grosshöchstetten und Bio-Gemüsebauer Stefan Strahm vom Möschberg mit seinen abgepackten Gemüsetaschen genügend Frischwaren. Er vermutet: «Die Leute sind offenbar anderweitig so gut versorgt, dass kein zusätzliches Bedürfnis besteht.»

 

... und zu wenige Gutverdiener

Auch entsprächen die verhältnismässig hohen Rüedu-Preise vielleicht einer eher besserverdienenden Kundschaft. Und Gutverdiener habe es in Biglen mit nur 1855 Einwohner:innen aus allen Bevölkerungsschichten wohl insgesamt zu wenige, um eine Rüedu-Filiale rentabel zu machen. «Zu Corona-Zeiten, als es kaum andere Möglichkeiten gab, rentierte das, jetzt wird es offenbar schwierig», überlegt Schweizer.

 

Die anderen sind schon weg

Dasselbe Schicksal ereilte nach der Filiale Grosshöchstetten letzten November auch den Rüedu Münsingen, und seither steht nur noch die Filiale Worb. «Jene Standorte, die bei unserer Community zu wenig Anklang fanden – dazu gehörten Biglen, Grosshöchstetten und Münsigen – wurden im Zuge der Standortfokussierung geschlossen», erklärt Aline Roesti das Verschwinden.

 

Fokus in und um Bern ...

Das Fazit bei Rüedu nach den Erfahrungen mit den Containern in der Region Bern-Ost ist deutlich: «Über die letzten Monate hinweg haben wir festgestellt, dass Rüedu insbesondere in den städtischen Gebieten beliebt ist.» Daher habe die Geschäftsleitung der Rüedu Bern AG entschieden, künftig für ihre Standorte «den Fokus auf die Stadt Bern und die umliegenden Siedlungsgebiete zu legen.»

 

... und noch auf Worb

Was aber heisst das für den Rüedu Worb? «Wir freuen uns sehr, konnten wir unseren Rüedu in Worb nach einer kurzzeitigen, temporären Schliessung aufgrund der Baustelle wieder öffnen», teilt Aline Roesti mit. Solange die Baustelle den Standplatz des Containers nicht beeinträchtige, bleibe Rüedu dort bestehen. Und was, wenn das ändert? Aline Roesti: «Wir stehen in engem Austausch mit der Bauleitung, um unsere Kundschaft frühzeitig über mögliche Standortänderungen zu informieren.»

 

[i] Rüedu kämpft für einen Weg in die Zukunft

Wie es mit Rüedu allgemein weitergehen soll, verkündet Geschäftsführerin Karin Ingold in einer Medienmitteilung vom Dienstag: «Trotz grosser Begeisterung in der Community schreibt Rüedu bisher keine schwarzen Zahlen», fasst sie zusammen. Deshalb wolle man aus Fehlern lernen und habe klare Strategien entwickelt:

  • Fokus auf urbane Standorte: Ziel seien rund 25 Standorte in und um Bern.
  • Das Sortiment soll angepasst werden: Es soll typisch Rüedu und mit einem stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnis daherkommen.
  • Effizienzsteigerung: Strukturen sollen laufend optimiert werden, um nachhaltig wirtschaften zu können.

«Der Weg in eine nachhaltige, finanziell gesunde Zukunft ist eine Gratwanderung», schreibt Karin Ingold. Eine Chance sieht die Geschäftsleitung in der «Unterstützung durch die Community»: Seit 2024 ist es möglich, in Rüedu zu investieren und Aktien zu kaufen. «Rüedu Aktien sind keine Rendite-Anlagen, sondern eine Investition in eine gute Sache – eine Plattform für kleinere, regionale Produzent:innen und einen Beitrag gegen das Lädeli-Sterben», erklärt Karin Ingold. Jede Investition schaffe Zeit und Möglichkeiten, um Rüedu selbsttragend und finanziell gesund zu machen. Hier finden Sie Informationen dazu.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 06.03.2025
Geändert: 06.03.2025
Klicks heute:
Klicks total: