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Rüfenacht: Alter Speicher auf grosser Fahrt

Am Montagabend wurde der 250-jährige Aebersold-Speicher in einer Grossaktion von seinem Sockel gehoben und gezügelt: Jetzt hat Rüfenacht einen Speicher weniger, die Jugendarbeit Worb einen Unterstand mehr. Der Speicher wartet an seinem neuen Standort auf die definitive Bewilligung und seine neue Bestimmung.

Angeschirrt: Der Aebersold-Speicher ist für den Transport bereit. (Foto: dersu.ch)
Abgehoben: Der Speicher wird per Kran vom Sockel gelupft. (Foto: dersu.ch)
Aufgeladen: Der Speicher ist sicher festgezurrt und bereit für die Abfahrt. (Foto: dersu.ch)
Losgefahren: Der Speicher ist auf der gesperrten Strasse unterwegs in Richtung Worb. (Foto: dersu.ch)
Gelandet: Der Speicher ist gut an seinem neuen Platz beim Freizeithaus Worb angekommen. (Foto: dersu.ch)

Spektakuläre Szenen am Montagabend in Rüfenacht: Der alte Aebersold-Speicher wurde in einer Grossaktion nach Worb gezügelt. Zahlreiche Schaulustige beobachteten gespannt, wie er mit Spanngurten auf einem Holzgestell fixiert wurde und wie die ganze Konstruktion per Kran in die Luft gehoben und auf einen Tiefbettlader gestellt wurde. Um Punkt 22 Uhr fuhr der Konvoi über die eigens gesperrte Strasse in Richtung Worb los.

 

Speicher vor Zerstörung bewahren ...

Hinter der grossen Zügelaktion stehen zwei Männer: Marco Jorio, Präsident der IG Worber Geschichte, der sich in einem Beitrag in der Worber Post verärgert zeigte, dass nicht nur das stattliche Aebersoldhaus, sondern auch sein Speicher der neuen Überbauung Dorfmitte Rüfenacht weichen sollte. Das Eichenholz, mit dem der Speicher erbaut worden sei, habe bereits im Jahr 1636 zu wachsen begonnen, schrieb Jorio, und er habe die Hoffnung, «wenigstens den Speicher vor der Zerstörung zu bewahren.»

 

... und einen passenden Unterstand finden

Jonathan Gimmel, Präsident Jugendarbeit Worb, las Jorios Beitrag und kombinierte rasch: Hier ein 250-jähriger Speicher, der plötzlich nicht mehr schützenswert ist und wegmuss. Dort ein 200 Jahre altes, denkmalgeschütztes Freizeithaus, in dessen neu gestalteten Park nur ein Unterstand gestellt werden darf, der baulich zur Zeit passt. «Da können wir etwas machen», beschloss Gimmel.

 

Eine Viertelstunde Fahrt ...

Kurzum stellte er ein Gesuch, das der Worber Gemeinderat Mitte Mai bewilligte: Dem grossen Umzug stand nichts mehr im Wege. «Die Fahrt entlang der Hauptstrasse dauert etwa eine Viertelstunde», hatte Theo Schmid im Vorfeld gegenüber der Berner Zeitung gesagt. Schmid sitzt im Vorstand der Jugendarbeit und ist Chef einer Holzbaufirma. Und er hatte den Transport gut im Griff: Verlad, Fahrt und Deponie verliefen ohne Zwischenfälle.

 

... bis zum neuen Bestimmungsort

«Dank Super-Teamwork ist alles wie am Schnürchen gelaufen», freut sich Jonathan Gimmel tags darauf. Der acht Meter hohe, neun Meter breite und zehn Tonnen schwere Holzspeicher konnte – zwar links herum, aber pannenfrei – durch den Kreisel manövriert werden. Nach einer Fahrt durch die Nacht erreichte das fahrende Häuschen eine Viertelstunde später seinen Bestimmungsort: den Park neben dem Freizeithaus, das an der Hauptstrasse zwischen Rüfenacht und Worb liegt.

 

Drei Monate Zeit für das Baugesuch

Dort wurde der Speicher per Kran vom Tiefbettlader gehoben und auf eine vorläufige Holzkonstruktion gestellt. Auf diesem Platz darf er in den nächsten drei Monaten stehen, in dieser Zeit muss die Jugendarbeit Worb ein Baugesuch einreichen. Danach, erklärt Jonathan Gimmel, werde man konkret überlegen, wie man den Speicher verwenden wolle.  

 

Manchmal ergibt eins und eins mehr als zwei

Eins und eins, freut sich Gimmel, habe in diesem Fall drei ergeben: «Es ist eine Win-win-win-Situation.» Der Speicher bleibe erhalten, für das Freizeithaus sei das passende Pendant gefunden und das Konzept für den Aussenraum könne endlich weiter ausgestaltet werden. «Die Verantwortlichen der Jugendarbeit arbeiten seit zehn Jahren daran», erklärt er.

 

Ein Unterstand für alle

Der Speicher könnte als Unterstand neben der Feuerstelle genutzt werden, vielleicht für  Ferienspassaktivitäten – das Freizeithaus liege an bester Lage, und es gebe kaum eine schönere Aussicht auf Worb, sagt Gimmel. «Es soll deshalb vermehrt für Jugendliche, aber auch auch für Familien, ja für alle zugänglich sein.»

 

Will das die Gesellschaft?

Noch zu klären ist die Finanzierung des Ganzen: Der Speicher und sein Transport kosten den Trägerverein Jugendarbeit rund 20’000 Franken, die weiteren Arbeiten am Speicher schätzt Jonathan Gimmel auf rund 150'000 Franken. Kein Pappenstiel. Er nickt. «Es ist an der Gesellschaft zu sagen, ob sie das will.»

 

Bei der Boulderhalle hat’s funktioniert

Ambitioniertes Fundraising habe aber in Worb bereits einmal gut funktioniert, ergänzt er: Bei der Boulderhalle, die in den beiden Jahren ihres Bestehens stolze 10'000 Eintritte verzeichnet habe, habe es sich sehr bewährt. Es sei eine tolle Partnerschaft aus privaten Unterstützern, Gewerbe und Stiftungen entstanden. «Es ist schön zu sehen, wie alle zusammenhalten für Junge und Familien.»

 

Der Speicher ist gerettet

Der Speicher wartet indes noch auf seine neue Dachbedeckung und auf seine definitive Bestimmung. Den Transport hat er offensichtlich gut überstanden. Und damit hat sich Marco Jorios Hoffnung erfüllt: Der ehemalige Aebersold-Speicher ist gerettet, und mit ihm ein Stück Zeitgeschichte.

 

[i] Die Jugendarbeit Worb hat in ihrer Strategie festgelegt, «attraktive Innen- und Aussenräume für Kinder, Jugendliche, Familien und ihr Umfeld» seien zentrale Aspekte für gute Aufwachsbedingungen. Das Fazit: «Es soll ein attraktiver Raum-Mix entstehen und lebendige Begegnungsorte für Kinder und Jugendliche.» Das Hauptaugenmerk dafür liege seit Jahren auf dem Robi Rüfenacht und dem Freizeithaus. Auch BoulderWorb sei «mit überzeugenden 10’000 Eintritten» ein Erfolg. Und: «Die Nachfrage nach mehr Aufenthaltsmöglichkeiten für die Nutzenden der Boulderhalle und der anderen Räumlichkeiten haben deutlich zugenommen.» In diesem Zusammenhang seien auch die Pläne zum Speicher zu verstehen: Dieser soll als neuen Unterstand für die erweiterte Arealnutzung dienen.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 28.05.2025
Geändert: 28.05.2025
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