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Rüfenacht: Capramontes zügelt seine Kunst aus dem Käsekeller

Nach einem Jahr Vorankündigung muss Walter Geissberger, auch unter dem Künstlernamen Capramontes bekannt, sein Schaulager räumen. Er zieht aus dem Haus von 1848 aus: In den nächsten Monaten wird es abgerissen und neu überbaut. Vorher läuft darin noch eine Runde «Action».

Walter Geissberger wohnte gern im alten Käsehaus mit dem angebauten Schaulager Capramontes. (Foto: cw)
Das Schaulager von der Strasse und vom Bähnli aus. (Foto: cw)
Walter Geissberger weiss viel über die Geschichte des alten Hauses. (Foto: cw)
Der kühle Gewölbekeller diente als Käselager, dann als Ausstellungsraum. Jetzt wird er geleert. (Foto: cw)
Vor dem Abschiedsapero, die Stühle stehen bereit. Früher war hier der erste Selbstbedienungsladen. (Foto: cw)
Dort wo heute noch das Büro ist, befand sich früher der Dorfladen (Foto: cw)

Es ist warm in der gemütlichen Wohnküche, in der Ecke pufft ein grosser Sibir-Ölofen vor sich hin. Walter Geissberger zeigt auf den Feuerlöscher in der gegenüberliegenden Ecke, ein Überbleibsel: In diesem Haus hat einst die Firma Minimax ihre bekannten roten Feuerlöscher gefertigt. In den letzten 12 Jahren hatte er sich hier häuslich eingerichtet und die ganze Küche neu gebaut.

 

Im Schaulager fanden Konzerte und Lesungen statt

Noch sind der grosse Gewölbekeller und alle ehemaligen Geschäftsräume voll mit seinen Werken: Der Kunstlehrer ist als Künstler auch unter dem Namen Capramontes bekannt. Sein Schaulager ist von der Strasse und dem Bähnli aus gut sichtbar, und er hat oft Kunstinteressierte empfangen oder zu Anlässen wie Konzerten und Lesungen eingeladen.

 

Jetzt sind die Tage des Hauses an der Dorfstrasse 10 gezählt. Die Profile auf dem Nachbargrundstück stehen bereits, irgendwann wird das Haus abgebrochen und ebenfalls profiliert: Auf der Fläche wird eine Wohnüberbauung entstehen.

 

Geschichtsträchtiges Haus von 1848

Eine grosse Schönheit ist es nicht, das Haus aus dem Jahr 1848, ein Baudenkmal schon gar nicht. «Aber es steckt viel Geschichte darin», sagt Geissberger mit leisem Bedauern. Und er hat gerne darin gewohnt. Ein Jahr lang hatte er nach der Kündigung Zeit, sich vorzubereiten, auf März 2024 endete sein Mietvertrag endgültig. Jetzt hat er noch bis Ende Juni zusätzlich Zeit erhalten, um seine Wohnung und die vielen ausdrucksstarken Kunstwerke des Schaulagers zu zügeln.

 

Immerhin, er lächelt, es seien zwei Wunder geschehen: Zuerst fand er gleich um die Jahreswende eine schöne Viereinhalb-Zimmerwohnung an der Bächimattstrasse, in der er sich gemütlich einrichten kann. «Und dann, Wunder zwei, konnte ich gleich daneben einen Ausstellungsraum mieten, in den ich jetzt meine Werke zügeln werde.»

 

Dorfladen, Velowerkstatt und Töpferei

Er zeigt auf die eine Hälfte des grossen Raumes hinter der Küche: «In dieser vorderen Ecke befand sich der Dorfladen von 1905», erzählt er. «Hier verkaufte die alte Frau Rüfenacht ihre Ware.» Ihre Tochter, Frau Choffat habe das Haus übernommen, und es habe ihr offenbar gutgetan, denn sie sei im hohen Alter von 103 Jahren gestorben. Dann dreht sich Geissberger um und zeigt auf die andere Raumhälfte: «Hier wirkten vor meiner Zeit unter anderem die Feuerlöschgerätefirma Minimax, ein Velo- und Skigeschäft, ein Kerzenproduzent und ein Kleider- und ein Schuhgeschäft. Darum wurde eine grosse Glasfront eingebaut.»

 

Walter Geissberger steigt ein paar Tritte hinunter. «In diesem Raum hatte Robert Choffat seine Töpferei eingerichtet», erzählt er, bevor er durch das verschachtelte Haus in den alten Teil geht. Dort steigt eine lange Treppe hinunter, in den kühlen Gewölbekeller. «Hier richteten die Gebrüder Gfeller 1848 ein Käselager ein, als sie von Getreide- auf Milchwirtschaft umstellten», erzählt er. 1894 habe die spätere Familie Heugel das Käselagerlager verlassen und sei nach Bern gezogen. Ihre «Chäshütte» ist dort noch heute bekannt.

 

Kunstwerke im Käsekeller

Momentan stehen in den ehemaligen Käsekellern noch zahlreiche Kunstwerke von Capramontes ausgestellt – Zeugen seines jahrelangen Schaffens. Der feierliche Abschied mit Freund:innen und Nachbar:innen, Musik und Apéro ist vorbei, jetzt geht es ans Zügeln. Die ersten Zügelkisten hat die Zügelfirme dieser Tage bereits in der neuen Wohnung deponiert, ein weiterer Turm von Kisten steht bereit. «Das ist jetzt Kunst am Objekt», sagt Geissberger humorvoll.

 

Ganz einfach wird es aber für ihn mit seinen 77 Jahren nicht, so vieles loszulassen. Er weiss schon jetzt: «Die Zügelfirma wird etliche Mal hin und her fahren.» Er blickt sich im grossen Raum um, in dem er sein Abschiedsapero veranstaItete. «Hier entstand nach dem Krieg der erste Selbstbedienungsladen der Region», erzählt er. Auch das ein historischer Raum, der mit dem Abbruch des Hauses verschwinden wird.

 

«Action» vor dem Abriss

Immerhin, ganz klanglos wird das Haus an der Dorfstrasse 10 nicht abtreten: Im Juli, so hat Geissberger erfahren, werde noch die Spezialeinheit «Enzian» der Kantonspolizei Bern im Haus Übungen veranstalten. Dies bestätigt ein Sprecher der Kantonspolizei, Er ergänzt: «Es ist nicht aussergewöhnlich, dass in solchen Abbruchobjekten Übungen von Spezialeinheiten stattfinden.» Details könne er aber aus taktischen Gründen nicht verraten.

 

Von diesen Übungen wird Walter Geissberger nicht viel mitbekommen:  Er wird wohl noch eine Weile damit beschäftigt sein, seine vielen Kunstwerke im neuen «Schaulager 2  Capramontes» aufzustellen.


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 20.05.2024
Geändert: 20.05.2024
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