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Rüttihubelbad: Wo einst die Landleute im "Fressbedli" zu Gast waren

Das Rüttihubelbad hat nicht einfach so das Wort "Bad" im Namen. Es war auch mal eines, bevor es zum heutigen anthroposophischen Sozial- und Kulturzentrum wurde. Doch das Bad wurde von der Obrigkeit lange nicht geduldet. Wie aus der Entdeckung eines Landwirts eine Wohlfühloase der Landbevölkerung wurde.

Heute Sozial- und Kulturzentrum, früher Heilbad: Das Rüttihubelbad zwischen Worb und Walkringen. (Bilder: Wikimedia / ruettihubelbad.ch)
Das Rüttihubelbad um 1820. (Bilder: ruettihubelbad.ch / Bilderarchiv Rütthubelbad)
Im 19. und 20. Jahrhundert florierte das Rüttihubelbad als Kurort.
Das Rüttihubelbad im Jahr des Konkurses. (Bilder: ruettihubelbad.ch / Hansueli Trachsel)
Das Rüttihubelbad wurde von seinen ländlichen Badegästen für seine einfachen, aber zweckmässigen Einrichtungen und den ungezwungenen Umgangston geschätzt.
Heute ist das Rüttihubelbad ein anthroposohisches Sozial-, Kultur- und Tagungszentrum. (Bild: Wikimedia)

Die Geschichte des Bades schildert die heutige Stiftung Rüttihubelbad auf ihrer Webseite. 1756 errichtete die Familie Schüpbach auf dem Rüttihubel ein Bauernhaus. 1779 bekam Peter Schüpbach die Bewilligung, zur Bewässerung seines Landes einer Quelle nachzugraben. Die Bedingung war, dass er alles nicht benötigte Wasser als Tränke für die Kühe auf der Weide in einen Brunnen leitet.

 

Während den Arbeiten an der Quelle stellte Schüpbach fest, dass es sich um eine Mineralquelle handelte. Noch im selben Jahr stellte er in einer einfachen Hütte einige Badewannen auf. Viele Menschen aus der Landbevölkerung reisten anschliessend auf den Rüttihubel, um dort zu baden. Als dies der Herrschaftsherr von Worb vernahm, liess er die Hütte niederreissen und die Badewannen zerstören.

 

Nach 55 Jahren endlich legal

Doch Schüpbach gab nicht auf. 1784 baute er im Keller seines Speichers sechs Badewannen und einen Kessel, um das Wasser zu wärmen. Wieder kamen viele Badegäste. Noch im selben Jahr verbot die Obrigkeit die Errichtung eines Bads auf dem Rüttihubel. Während 50 Jahren blieb es bei diesem Entscheid. Trotzdem ist verschiedenen Quellen zu entnehmen, dass in den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts auf dem Rüttihubel "von der ärmeren Classe" gebadet worden war. Erst 1834 erhielten Schüpbach und seine Söhne ein Badewirtschaftsrecht.

 

In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich das Rüttihubelbad schnell zu einem beliebten und vielbesuchten Kurbad. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts bestand es aus zwei Gebäuden mit insgesamt 45 Zimmern für rund 60 Kurgäste. Es gab zehn Badestuben in denen sich je zwei Wannen befanden. Später wurden die alten Gebäude ausgebaut und neue Nebengebäude erstellt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es schon 95 Zimmer. Jeden Dienstag und Samstag holte der "Badomnibus" die Kurgäste in Bern ab. So wurde ihnen die beschwerliche Anreise erleichtert.

 

Ungezwungene Wohlfühloase

Gemäss einer Schrift von 1899 herrschte auf dem Rüttihubel, im Gegensatz zu anderen, luxuriösen Badeorten, "häusliche Behaglichkeit". Die Einrichtungen waren einfach, aber bequem, entsprachen ihrem Zweck und den hygienischen Ansprüchen. Das Landleben und der ungezwungene Umgangston wurden als angenehm empfunden. Die "erdig-salinische Eisenquelle von beachtlicher Heilkraft" half im Laufe der Jahrzehnte vielen Kurgästen.

 

Noch Mitte des 20. Jahrhunderts kehrten Gäste im Rüttihubelbad ein, um die üppige Bernerplatte mit der traditionellen "Merängge" zu geniessen. So erhielt die Anlage den Übernamen "Fressbedli". Doch dann wurde es langsam still im Rüttihubelbad. 1982 ging die Rüttihubelbad AG der Familie Schüpbach Konkurs.

 

Vom Bad zum gemeinnützigen Heim

Vier Jahre später erwarb die neu gegründete Stiftung Rüttihubelbad das Kurhaus und die dazugehörigen landwirtschaftlichen Liegenschaften. Ziel war es, ein gemeinnütziges Alters- und Pflegeheim auf anthroposophischer Grundlage zu errichten und zu betreiben. 1991 zogen die ersten Bewohner:innen in das sich noch im Bau befindliche Altersheim ein.

 

Probleme bei der Finanzierung des Baus brachten das Vorhaben in den folgenden Jahren aber an den Rand des Konkurses. Dank dem Entgegenkommen der Handwerker:innen und den Beiträgen einer privaten Gönnerin sowie der Genossenschaft EvK konnte die Finanzierung dann doch auf solide Füsse gestellt werden.

 

Die Quelle liegt wieder brach

Über die Jahre entwickelte sich die Stiftung zu dem, was sie heute ist. Neben Alterswohnungen, einem Alters- und Pflegeheim mit Demenzabteilung und einer sozialtherapeutischer Gemeinschaft mit Arbeits- und Wohnplätzen für Menschen mit einer Beeinträchtigung bietet das Rüttihubelbad auch Hotelzimmer, ein Restaurant, Kurse, kulturelle Anlässe und Ausstellungen. Ursprünglich war auch ein Therapiebad geplant. Der Rohbau wurde nie ausgebaut. Darin befindet sich die Dauerausstellung "Sensorium", die sich um die Aktivierung der sinnlichen Wahrnehmung dreht.

 

Ein Teil der Rüttihubelwasser-Quelle ist heute sichtbar und kann besucht werden. Genutzt wird sie seit ein paar Jahren nicht mehr. Der Aufwand für eine zeitgemässe Aufbereitungsanlage wäre zu hoch gewesen, wie es in einem Dokument der Stiftung von 2018 heisst. Zuvor hatte man das  gesunde und wohlschmeckende Trinkwasser noch als "Hübeli-Wasser" ausgeschenkt. Seither fliesst Quellwasser der Gemeinde aus dem Hahn.


Autor:in
pd/ib, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 08.08.2022
Geändert: 08.08.2022
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