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Strom tanken: Unterschiedliche Preise sorgen für Frust

Nach dem Tanken der Schreck: Roland Griessen aus Richigen hat sein Auto an diversen Stationen der Region vollgetankt und festgestellt, dass die Preisunterschiede enorm sind. «Die Preise müssten unbedingt offengelegt werden», fordert er. BERN-OST hat nachgefragt.

Elektroauto-Ladestation bei Aldi Worb: "Die Preise müssten bei allen Ladestationen klar ersichtlich sein", fordert Roland Griessen aus Richigen. (Fotos: pg/zvg)

Elektrisch tanken kostet längst nicht überall gleich viel: Ladegeschwindigkeit und Preise der lokalen Anbieter schwanken stark. So kann es passieren, dass man beim Laden des Elektroautos einmal 29 Rappen pro Kilowattstunde bezahlt, ein anderes Mal zwischen 46 und 51 Rappen oder gar 69 Rappen, wie das Roland Griessen beobachtet hat.

 

Einen ziemlichen Schreck erlebte der Richiger, als er letzthin bei Aldi Worb sogar 85.7 Rappen pro Kilowattstunde bezahlte. «Der absolute Hammer», findet er. Zwar steht bei der Tanksäule, dass es sich um 100 Prozent Ökostrom handelt. Griessen ärgert sich dennoch: «Der Preis muss gut sichtbar deklariert werden», fordert er.

 

«Preise müssten angegeben werden»

Tatsächlich ist das auch so vorgesehen. «Die Preise müssten eigentlich angegeben werden, so wie dies in der Preisbekanntgabeverordnung vorgegeben ist», teilt Marius Wiher, Leiter Nachhaltigkeit, Energie und Mobilität beim Konsumentenschutz, auf Anfrage mit. Er verweist auf die Preisbekanntgabeverordnung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).

 

Die Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen (PBV) ist an sich klar. Ziel der PBV sei, dass Konsumentinnen und Konsumenten vor Vertragsschluss die zu bezahlenden Preise kennen, heisst es dort. Und «dass Preise klar und miteinander vergleichbar sind» und irreführende Preisangaben verhindert werden: «Deshalb müssen die Preise bereits beim Angebot und noch vor dem Kauf bekanntgegeben werden.» Und: «Es gilt der Grundsatz der Gesamtpreisbekanntgabe, dass also beispielweise die Preise für Strom und Standplatz zusammen angegeben werden müssen.»

 

Detaillierte, transparente Tarifbedingungen?

Diese Vorgabe lässt sich jedoch offenbar unterschiedlich interpretieren. Die Medienstelle von Aldi Suisse antwortete jedenfalls auf Anfrage, dass der E-Ladestellenbetreiber evpass (Shell) die Preise festlege: «Die detaillierten Tarifbedingungen finden die E-Autofahrenden transparent auf der Betreiber-Website unter folgendem Link: Preise (evpass.ch).» 

 

BERN-OST hat Roland Griessen gefragt, ob ihm diese Preisinformation weiterhelfe. Er verneint energisch: «Es reicht einfach nicht aus, auf irgendwelche Internetseiten zu verweisen – mit Preisen, die noch dazu unübersichtlich mit Abonnementen vermischt dargestellt sind.»

 

Auch die Ergänzung von Aldi Suisse trägt nicht viel zu einer klaren Preisinformation bei: «Wichtig zu wissen: Die Ladenetzbetreiber bieten Mitgliedschaften an», teilt die Medienstelle mit. «Auch Nicht-Mitglieder können ihr Auto an den öffentlichen Stationen dieser Netze laden, müssen jedoch mit zusätzlichen Kosten durch eine <Roaming-Gebühr> rechnen.»

 

Komplizierte, untransparente Rechnung!

Roland Griessen hat die Rechnung mit den Angaben auf der genannten Betreiber-Website durchgespielt: «Es sind Ladestationen, die 11 Kilowattstunden Leistung abgeben, und ein typischer Einkauf dauert 30 bis 50 Minuten», rechnet er. «Dabei werden maximal 5,5 bis 8,8 Kilowattstunden abgegeben. Der angegebene Grundpreis beträgt 65 Rappen pro Kilowattstunde.»

 

Bei 50 Minuten Ladezeit erhöhe sich der effektive Preis allerdings aufgrund der Zusatzkosten auf 82 Rappen pro Kilowattstunde, sagt er, bei einer Ladezeit von 30 Minuten gar auf 92 Rappen pro Kilowattstunde. «Und das ist weder transparent, noch ist es ein angemessener Preis», lautet sein Fazit. 

 

Auch der Touring Club Schweiz TCS hilft in dieser Angelegenheit nicht viel weiter. In seinem Ratgeber zum Laden von Elektroautos (8 Fragen zum Aufladen eines E-Autos - TCS Schweiz) steht einzig: «Beim öffentlichen Laden bestehen grosse Preisunterschiede, welche sich insbesondere durch Ladegeschwindigkeit und Vertragsbindung zum jeweiligen Anbieter erklären.» Der TCS rät daher: «Es empfiehlt sich, vor jeder Ladetransaktion die Kosten in Erfahrung zu bringen.»

 

Klar ersichtlich wie bei Tankstellen

Das allerdings ist nicht die Antwort, die sich Roland Griessen erhofft hatte: «Die Preise müssten auch für Elektroauto-Besitzer vor dem Tanken ersichtlich sein», findet er: «So wie es bei Tankstellen Vorschrift ist, den Preis pro Liter Kraftstoff deutlich und für die Konsumenten klar ersichtlich anzuzeigen.»

 

Genau dasselbe hat letzten Herbst Konsumentenschutzpräsidentin und SP-Nationalrätin Nadine Masshardt in einer Interpellation angeregt: Sie fragte, was gegen eine Preisbekanntgabe am Display einer eLadestation vor dem Beginn des Ladevorgangs, «analog zum Tankvorgang an Zapfsäulen», spreche?

 

In seiner Stellungnahme verwies der Bundesrat auf die Preisbekanntgabeverordnung, die das bereits regle: «Die Preisbekanntgabeverordnung regelt, dass der Preis stets mit dem Angebot an die Konsumentinnen und Konsumenten bekanntgegeben werden muss», heisst es. «Der Preis vor Start eines Ladevorgangs muss entweder an der Säule auf einem Display oder auf einem Mobile Device bekanntgegeben werden.» Und mit «Preis» ist gemäss PBV grundsätzlich der «Gesamtpreis» gemeint.

 

Woran hapert es also?

Die Nachforschung, warum die Preise nicht klar und einfach verständlich deklariert werden, landen irgendwie immer wieder bei der Preisbekanntgabeverordnung, die klar ist. Und dann wiederum bei Anbietern, die das bestätigen – und auf eine unklare Informationsseite hinweisen. Für den Konsumentenschutz zeigen Beispiele wie jenes von Roland Griessen, dass die Preisbekanntgabeverordnung zu viele Schlupflöcher bietet.

 

Diese Schlupflöcher bewirken, dass die Verordnung nur ungenügend durchgesetzt werden kann. «Die Vorschrift, dass die Preise entweder an einem Display oder am Handy angezeigt werden, ist offensichtlich zu schwammig», kommentiert Marius Wiher vom Konsumentenschutz. «Insbesondere auch darum, weil zu viele Teilpreise, wie Strom, Mitgliedschaften oder Roaming unterschiedlich angezeigt werden.»

 

Zu schwammig, zu viele Schlupflöcher

Darüber hinaus hapert es offensichtlich auch beim Vollzug der Verordnung. Für diese seien die Kantone zuständig und der Bund habe die Oberaufsicht, erklärt Wiher. «Insbesondere die Anzeige per Mobiltelefon zeigt aber, dass Kantone und Bund kaum eine Chance haben, die Preisbekanntgabe zu überwachen.» Die Preise seien ganz offensichtlich nicht transparent nachvollziehbar: «Sonst müssten die Kantonsangestellten ja jeweils auf die Handys der Konsument:innen Zugriff haben.»

 

Elektroautobesitzer Roland Griessen findet, es gehe doch nicht an, mit solchen Praktiken den Wandel in die Elektromobilität zu verzögern oder sogar rückgängig zu machen: «Schliesslich müssen wir unbedingt von fossilen Brennstoffen wegkommen, um künftigen Generationen eine einigermassen intakte Erde zu hinterlassen.» 

 

Druck aufbauen, zum Handeln zwingen

Offensichtlich sei aber der Leidensdruck noch zu wenig gross, dass der Bund die Regulierung konsumentenfreundlicher gestalten würde, vermutet Marius Wiher. Für ihn  gäbe es allerdings eine einfache Lösung: «Die Preise müssten auf dem Display der eLadestation angezeigt werden, so wie dies auch bisher bei Tankstellen gehandhabt wird.»

 

Er fordert darum betroffene Konsumentinnen und Konsumenten auf, sich direkt beim Seco oder der jeweiligen kantonalen Stelle zu melden: «Nur so baut sich genügend Druck auf, dass der Bund ins Handeln kommt.»


Autor:in
Claudia Weiss; claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 21.12.2023
Geändert: 22.12.2023
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