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Tom Lüthi: «10 Minuten später und meine Karriere wäre zu Ende»

Quelle
SonntagsBlick

An der Unfallstelle in Valencia lag nicht nur Tom Lüthis Ellbogen, sondern auch beinahe seine Karriere in Trümmern. Im Interview verrät der Töff-Star, welche Rolle der Schnee in dem Drama spielte.

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Blick zurück auf einen Unfall der die Karriere von Tom Lüthi um ein Haar beendet hätte. (Bild: Friedemann Kirn)

Tom Lüthi, vor knapp neun Monaten sind Sie hier schwer verunfallt. Welche Bilder weckt der Unfallort in Ihrem Kopf?
 

Tom Lüthi: Ehrlich gesagt, nicht viele. Ich weiss fast nichts mehr, da ich ja auch auf den Kopf gestürzt bin. Erst der Moment, als ich zum Krankenauto laufe und einsteige, ist mir wieder präsent.
 

Und welche Gefühle kommen in Valencia auf?
  

Gar nichts in diese Richtung. Klar ist hier der Unfall passiert, aber dieser Moment und die bangen Stunden danach sind für mich schon sehr weit weg. Vielmehr bin ich auf meinen Job fokussiert, auf einen normalen Rennablauf. Der Unfall kam mir im Vorfeld gar nicht in den Sinn.
  

Wie dramatisch ist der Tag in Ihrer Erinnerung?
 

Im Nachhinein betrachtet, war es sehr dramatisch. Zunächst habe ich nicht gemerkt, wie schlimm es wirklich ist. Ich hatte zwar brutale Schmerzen. Der Arm hing nur noch dran und war verdreht. Erst im Spital habe ich realisiert, dass ich sofort zurück in die Schweiz muss und operiert werden muss. Im Rega-Flieger auf dem Weg nach Hause haben mir die Ärzte gesagt, wie es um mich steht. Es hat extrem viel zusammengepasst, dass es wieder gut kam.
 

Stimmt es, dass der Flieger beinahe nicht hätte landen können?
 

Das ist so. Der Pilot hat nach der Landung gesagt, dass es zehn Minuten später nicht mehr möglich gewesen wäre. Es hat extrem geschneit damals, und ab einer gewissen Schneehöhe ist eine Landung nicht mehr möglich. Ich habe wirklich Schwein gehabt. Hätten wir nicht landen können und dadurch Zeit verloren, wäre der Arm ziemlich sicher nicht mehr gut gekommen.
 

Sie sprechen vom Karriereende?


Ja. Es hat in dieser Nacht extrem viel zusammengepasst. Zum Glück war alles vorbereitet. Bei der Landung stand das Krankenauto schon bereit und ich wurde sofort ins Spital nach Münsingen zu Doktor Marc Mettler gebracht. Dort war schon alles bereit für die Notoperation mitten in der Nacht. Doktor Mettler hat sofort reagiert, ich habe ihm viel zu verdanken. Ich freue mich, dass er mich dieses Wochenende hier besucht.
 

Der Unfall, das Zurückkämpfen – ist es Ihre bisher schwierigste Saison?


Ja, auf jeden Fall.
 

Trotzdem fahren Sie hier noch um den 5. WM-Rang.
 

Das hätte ich nie und nimmer gedacht. Es ist cool, dass wir zurück sind. Und es ist nicht einfach mit Glück passiert. Es steckt extreme Arbeit dahinter. Es hat damit angefangen, überhaupt wieder aufzustehen. Dann Physio, Training und die Arbeit mit dem Team. Es war eine Willensfrage. Ich wollte wieder nach vorne kommen. Das war der entscheidende Punkt, der mich aus dem Bett geholt hat.
 

Und jetzt wollen Sie noch Domi Aegerter überholen? Sonst wäre es das erste Mal, dass Sie nicht bester Schweizer wären.
 

Ohne Unfall wäre ich mit meinem Rang jetzt unzufrieden. Ich hätte andere Ziele, nämlich ganz vorne mitzukämpfen. Dass ich nun schon Sechster bin, ist für mich unglaublich. Aber klar will ich der beste Schweizer sein. Etwas anderes zu behaupten, wäre Blödsinn.
 

Nach Ihrem Unfall hatten Sie auch Rücktrittsgedanken.


In den ersten zwei Tagen. Weil ich nicht wusste, ob es wieder gut kommt.
 

Zu welchem Schluss sind Sie gekommen? Was macht Tom Lüthi nach der Karriere?


Es gibt keinen Plan. Aber Überlegungen, ob ich im Business bleibe, oder komplett daraus weggehen will. Ich weiss es aber noch nicht. Kein Geheimnis ist, dass mich die Helikopter-Fliegerei extrem interessiert. Ich kann mir vorstellen, dass das einmal etwas sein könnte.
 

Ein Bürojob von Montag bis Freitag wird es aber nicht.
 

Ich glaube, ich brauche etwas mehr Action. Mein ganzes Berufsleben basiert darauf. Bei einem Bürojob wäre mir wohl langweilig.
 

Eines Ihrer Ziele dürfte der WM-Titel nächstes Jahr sein. Ist er Pflicht?
 

Was ist schon Pflicht? Ich muss nur atmen, mehr nicht. Aber es ist ein grosses Ziel. Ich will mit meinem Team das erreichen, was wir in diesem Jahr verpasst haben.

Ohne Titel wird das grosse Ziel, die MotoGP-Klasse, schwer.

Mit Erfolg sind die Chancen sicher grösser. Ohne wird es schwierig bis unmöglich als Schweizer. Das weiss ich, und es ist mir bewusst. Aber ich bin noch jung genug, um gewisse Erfolge zu feiern und vielleicht die Chance zu bekommen, auf einen richtigen Töff zu sitzen.
 

Ihre Freundin und Personal Managerin Fabienne Kropf ist ja auch sehr engagiert und feiert Erfolge. Wie unterstützen Sie sie? Geben Sie ihr als Chef einfach frei?


Es ist schwierig. Sie plant selber, was sie für mich arbeiten muss und was daneben noch Platz hat. Und das Reiten ist für sie auch ein wichtiger Teil. Ihre Tage sind eigentlich immer viel zu kurz und ich bin dann der, der sie einbremst. Ich glaube, so unterstütze ich sie am besten.
 

Wie zeigt sich das?
 

Sie will dann abends um zehn Uhr noch dies und das erledigen. Und ich will dann einfach mal einen Film schauen und abschalten. Das brauche ich fast mehr als sie.
 

Wie stehts ums Thema Familie?
 

Neben meinem Beruf gibt es viel im Leben. Ich will einmal eine Familie gründen. Auf jeden Fall. Aber noch nicht jetzt. Das ist vielleicht ein bisschen speziell, bei anderen geht die Familienplanung neben dem Beruf einfacher. Bei uns ist das wohl anders. Das funktioniert nicht miteinander.


Autor:in
Stefan Meier, Sonntags-Blick
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Erstellt: 10.11.2013
Geändert: 10.11.2013
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