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Weitsicht oder Eigennutz? Münsinger Komitee kämpft für grüne Underrüti

Nach dem Nein zur Underrüti fordet das Komitee "Zukunft mit Vernunft" nun die Überführung in eine Zone für Sport- und Freizeitanlagen. Gemeindepräsident Beat Moser spricht von "Eigennutz", Komitee-Mitglied Paul Stähli findet diesen Vorwurf "zum Kotzen."

Auf der Underrüti in Münsingen könnte gebaut werden, damit sind aber nicht alle einverstanden. (Bilder: Archiv BERN-OST/zvg)
Heute sind auf dem Areal Familiengärten. (Bild: Archiv BERN-OST)
So würde das Komitee das Areal gestalten. (Bild: zvg)
Dezember 2021: Paul Stähli (rechts) übergibt Gemeindepräsident Moser die Unterschriften zum Referendum gegen die Ortsplanung (Bild: zvg)

Es waren allen voran Schrebergärtner:innen auf der Underrüti, die sich gegen die Aufzonung des Areals im Unterdorf gewehrt hatten. Mit Erfolg: Während das Münsinger Stimmvolk im Mai dieses Jahres Ja sagte zur Ortsplanungsrevision Münsingen 2030, lehnte es die Zone mit Planungspflicht Underrüti ab. Anstatt drei- bis viergeschossig kann hier weiterhin nur zweigeschossig gebaut werden.

 

Komitee will Underrüti so erhalten, wie sie ist

Zumindest theoretisch. Denn das Komitee "Zukunft mit Vernunft" rund um Paul Stähli will, dass auf der Underrüti überhaupt nicht gebaut wird. Dafür hat es eine Volksmotion gestartet. Die Forderung: Das Areal soll in eine Zone für Sport- und Freizeitanlagen überführt werden. Damit wolle man die "grüne Lunge" Underrüti erhalten.

 

In Anbetracht der aktuellen und künftigen Hitzewellen würden der Erhalt und die Ausweitung von Grünflächen unabdingbar, argumentiert das Komitee und warnt vor weiteren "Hitzeinseln" durch Überbauung und Versiegelung von Boden. Viele städtische Gemeinden investierten Millionen in den Rückbau versiegelter Flächen. "Wer jetzt die Weichen nicht richtig stellt, wird später teuer bezahlen."

 

Spiel- und Grillplatz für alle

Das Komitee macht auch gleich einen Gestaltungsvorschlag. Der Bach "Üsseri Giesse" soll auf Höhe Fussballplatz Sandreutenen naturnah aufgeweitet werden. Direkt an das neue kleine Auengebiet angrenzend, wo heute eine Wiese ist, soll es einen Spiel- und Grillplatz für alle geben.

 

Der Verbindungsweg zwischen der Belpbergstrasse und Stegreutiweg, der Bach und Wiese zurzeit noch trennt, soll dafür teilweise zurückgebaut werden. Offen bleiben sollen die Zufahrten zu den Liegenschaften, der restlichen Abschnitt wäre aber nur noch für Fussgänger:innen passierbar, erklärt Stähli auf Nachfrage. Dafür soll auf dem Aeusseren Giessenweg zwischen dem Stegreutiweg und der Belpbergstrasse das Reiten und Radfahren erlaubt werden.

 

"Wohnüberbauung nicht nötig"

"In Münsingen gibt es zu wenige Begegnungszonen und Kinderspielplätze", ist das Komitee überzeugt. Eine Wohnüberbauung, so wie sie der Gemeinderat auf der Underrüti gern sähe, sei dagegen nicht nötig. Das prognostizierte Bevölkerungswachstum könne mit bereits geplanten Bauprojekten abgedeckt werden.

 

Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) ist mit den Argumenten des Komitees nicht einverstanden. Für BERN-OST hat er die Unterlagen studiert und schriftlich Stellung genommen. "Persönlich als Beat Moser", betont er. Im Gemeinderat habe man darüber noch nicht diskutiert.

 

"Es besteht Mangel an kostengünstigem Wohnraum"

In Münsingen fehle es nicht an Begegnungsorten und Spielplätzen, gerade rund um die Underrüti, schreibt er. "Der Sportplatz Sandreutenen, die Badi, der Aareraum (mit vielen Brätlistellen), öffentliche Spielplätze z.B. im Kindergarten Giesse." Auch der Spielplatz auf dem Schlossgutplatz, der Schlosspark und der Vita-Parcours im Schwandwald seien schnell zu erreichen.

 

Ein Mangel bestehe dagegen an kostengünstigem Wohnraum, etwa für Familien und ältere Leute. Da die Underrüti bereits eingezont, gut erschlossen und zentral gelegen sei, biete sie sich an für eine "gut durchmischte und kostengünstige" Wohnsiedlung.

 

"Offensichtlich Eigennutz"

Auch gegen den Vorwurf, Münsingen verschlafe das Thema Renaturierung, wehrt er sich und zählt diverse Projekte auf: "Renaturierung des Hechtenlochs, die Tägermatte als Biolandwirtschaftgebiet, die Freiraumgestaltung Sägegasse, die Renaturierung der Studen Ritzele und des Aareraumes, die Aufwertung des Grabenbach." 

 

Sein Fazit ist klar: "Es ist offensichtlich, dass Mitglieder des Komitees den Eigennutzen in den Vordergrund stellen." Auf der Underrüti biete sich die Chance, eine für Mensch und Natur verträgliche Wohnsiedlung zu bauen. Die Volksmotion sei unvernünftig und er hoffe, dass sie vom Parlament abgelehnt werde.

 

"Gerade einmal ein Schrebergärtner"

Gegen den Vorwurf des Eigennutzes wehrt sich wiederum Paul Stähli: "Darüber kann ich langsam nur noch kotzen", sagt er. Im Komitee seien gerade einmal ein Schrebergärtner und nur wenige Anwohner:innen, deren Aussicht durch Neubauten gestört wären. Er selber sei davon nicht betroffen. "Ausserdem bin ich langsam in einem Alter, wo es mich nicht mehr betrifft, was hier in ein paar Jahren passiert." Ihm gehe es um die nächste Generation.

 

Die nötigen 50 Unterschriften habe das Komitee innert Tagesfrist gesammelt.

 

[i] Eine Volksmotion richtet sich ans Parlament und hat denselben Status wie Motionen von Parlamentarier:innen. Dafür braucht es 50 Unterschriften von in der Gemeinde stimmberechtigten Bürger:innen. Nach Einreichen der Volksmotion muss das Parlament darüber entscheiden. Erklärt es die Volksmotion für erheblich, ergeht damit der Auftrag an den Gemeinderat, eine Vorlage auszuarbeiten, über die das Parlament dann entscheidet.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 01.08.2022
Geändert: 02.08.2022
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