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Urs Hirschi: "Der Kanton ist zu bürokratisch"

Urs Hirschi ist seit zwei Jahren Gemeindepräsident von Zäziwil. Wir haben ihn zum Interview getroffen. Er erzählt, warum die Schule jetzt ausgebaut werden muss und wie mühsam der Umgang mit dem Kanton ist.

Urs Hirschi: "Für viele ist die Gemeinde ein Prellbock zwischen Kanton und Bürger." (Bild: Rolf Blaser)

Wir treffen uns bei Urs Hirschi (48) auf seinem Bauernhof in Reutenen oberhalb von Zäziwil. Der Hof liegt etwas ausserhalb. Wir sitzen draussen an einem Tisch bei Kaffee und Güetzi. Der Schnee glänzt weiss von den umliegenden Hügeln, die Sonne scheint. Hier oben ist die Welt noch in Ordnung.

 

BERN-OST: Wie war das Echo im Dorf auf die Gemeindeversammlung mit der Ankündigung einer Steuererhöhung?

Urs Hirschi: Grundsätzlich gut. Es gab auch kritische Stimmen, aber auch viele positive Echos. Ein Ehepaar, das keine Kinder hat, sprach mich darauf an, sie sagten, ihr macht das gut. Ihr habt eine Strategie und das gefällt uns.

 

Haben Sie vor zwei Jahren, als Sie gewählt wurden, damit gerechnet, dass Sie die Steuern erhöhen müssen?

Ja. Für diejenigen, die schon länger im Gemeinderat sind, war klar, dass das kommt. Der Wechsel des Schulsystems kam überraschend. Da Grosshöchstetten das Schulsystem angepasst hat, müssen wir jetzt reagieren. Dass die Renovationen kommen, das war bekannt.

 

Der Schulausbau soll gegen acht Millionen Franken kosten – wie dringend ist der Ausbau der Schule?

Das eine ist die Renovation des bestehenden Schulhauses, das ist nötig. Aber der zusätzliche Schulraum ist dringend.

 

Ein neuer Werkhof und Feuerwehrmagazin sollen für zwei Millionen Franken eingerichtet werden – warum ist das so teuer?

Das ist nicht teuer, zeigen Sie mir eine billigere Variante. Das sind Kosten, die auflaufen, wenn man etwas macht. Klar ist es für die Gemeinde ein grosser Brocken. Aber für das, was gebaut wird, ist es nicht überteuert.

 

Plan B wäre, wenn die Steuererhöhung nicht durchkommt, dass es bleibt, wie es ist. Der Werkhof ist bei uns seit zehn Jahren ein Thema. Jetzt ist der Moment, da wir das Landi-Gebäude kaufen können. Aber das kostet. Klar kann man sagen, es ist ja immer gegangen. Als Gemeinde wollen wir aber auch anständige Anstellungsbedingungen bieten. Dazu gehören ein geheiztes Büro, eine Dusche und weiteres. Wir wollen eine gewisse Infrastruktur zur Verfügung stellen. Das ist kein Luxus, aber eine zeitgemässe Lösung.

 

Sie sind Bauer, wie ist das Pensum Gemeindepräsident – Bauer?

Das ist schwierig in Prozenten auszudrücken. Manchmal mehr, manchmal weniger, im Schnitt so um die 20 bis 30 Prozent. Man könnte auch weniger, aber ich investiere die Zeit gerne. Als Bauer kann ich mir die Zeit selbst einteilen. Zudem habe ich eine Partnerin, die das Verständnis aufbringt. Auch von den mittlerweile erwachsenen Kindern werde ich tatkräftig unterstützt.

 

Zudem habe ich noch das Glück, einen Nachbaren zu haben, der auch einspringt. Ohne diese Unterstützung ginge das nicht.

 

Sie haben den Hof vor drei Jahren gekauft. Im Sommer bauten Sie den Hof aus, mit Bistro, Hofladen und Übernachtungsmöglichkeiten? Wie lief das an?

Das ist am Entstehen. Die geplanten Stellplätze für Camper sind bewilligungspflichtig, weil sie in der Landwirtschaftszone liegen. Deshalb können wir das nicht umsetzen.

 

Welche Probleme hat Zäziwil?

Selbstverständlich, wie überall, gibt es Probleme. Das Auskommen mit der Bevölkerung funktioniert sehr gut. Klar gibt es Grenzen, für viele ist die Gemeinde ein Prellbock zwischen Kanton und Bürger. Da geht es zum Beispiel ums Ausscheiden von Gewässerräumen. Vieles geht nicht, für die Gemeinde entstehen Kosten.

 

Nur weil sich die Stimme des Kantons nicht einig ist. Wenn jemand Land am Gewässer hat und ausbauen will, dann wird das mühsam. Wir besprechen das vorab mit dem Kanton und dem Bürger oder der Bürgerin, reichen das Gesuch ein, und dann kommt alles zurück und wird vom Kanton gerügt.

 

Was mir Mühe macht, ist die Kommunikation des Kantons gegenüber der Gemeinde. Der Kanton Bern hat eine Kultur der Überbürokratie. Einzelne Fachbereiche widersprechen sich, so werden Projekte blockiert. Die Bürger:innen verstehen das nicht. Das Amt für Gemeinden und Raumordnung, kurz AGR, ist nicht fähig die Kantonsinteressen zusammenzuführen und in einer Stimme zu kommunizieren. Wenn eine Überbauung zwölf Jahre braucht, um die Bewilligungen zu erhalten, dann versteht das kein Mensch.

 

Redet der Kanton zu viel rein?

Das ist normal. Aber der Kanton sollte mit einer Stimme sprechen, das passiert aber selten. Die widersprechen sich. Da verdunsten tausende Franken und am Ende haben wir einen Papiertiger. Das ist mühsam, und das versteht niemand. Die Leute denken dann die Gemeinde wolle nicht.

 

Sie sind bei der BDP, neu die Mitte, wann und warum haben Sie sich entschieden einer Partei beizutreten?

In unserer Familie wurde immer politisiert. Uns geht es gut, weil wir das System haben, wie es ist. Das läuft gut, weil wir Leute haben, die mitmachen, auch wenn sie es nicht für sich selbst tun. Ich bewundere das System und deshalb bin ich Mitglied in einer Partei.

 

Ich bin in Schangnau aufgewachsen und war Mitglied der SVP. Ab der ersten Stunde war ich in der BDP, denn in einer Partei, in der nur einer sagt, wo's langgeht, fühlte ich mich nicht wohl. Deshalb der Wechsel zur BDP, aber eigentlich stehe ich mitte-rechts.

 

Sie orten sich rechts?

Wir brauchen einen starken Kanton, aber der driftet gegen links ab. Vieles ist zu fest reguliert. Ich bin für einen schlanken Staat und die, die schaffen, sollen auch zu was kommen. Für mich ist klar, dass es Leute gibt, die Unterstützung brauchen. Aber man hat es den Gemeinden weggenommen und die Kosten steigen und steigen.

 

Das müssen Sie erklären.

Nehmen wir den Sozialdienst, der ist beim Kanton. Heute erfahren wir auf der Gemeinde vieles nicht mehr. Es geht um Datenschutz, heisst es. Früher ging man zum Nachbarn oder zu jemandem, den man kannte. Vielfach reichte ein Gespräch oder man fand eine Lösung. Dann musste dies professionalisiert werden. Aber heute ist der Sozialdienst zu weit weg von den Problemen der Leute. Wir bezahlen die Kosten, aber wir erfahren nichts mehr.

 

[i] Urs Hirschi ist seit 2012 Mitglied im Gemeinderat. Seit 2020 präsidiert er den Gemeinderat. Zäziwil hat 1566 Einwohner:innen.


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 22.01.2022
Geändert: 22.01.2022
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