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Vielbringen - Im Bann der alten Technik

Quelle
Berner Zeitung BZ

Wer bei der Ankündigung des Traktorentreffens in Vielbringen mit einem kleinen Event auf dem Land gerechnet hatte, musste umdenken. Über 600 alte Maschinen standen in Reih und Glied.

Das Traktoren-Treffen in Vielbringen wurde zum Grossanlass. (Bild: Res Reinhard)
Schauen und fachsimpeln. Hunderte interessierten sich am Wochenende für alte Traktoren. (Bild: Enrique Munoz Garcia)

Es knattert und dröhnt im kleinen Dorf Vielbringen zwischen Worb und Rubigen. Obschon die Ortsdurchfahrt für den üblichen Autoverkehr gesperrt ist, kommt es auf der Kreuzung im Zentrum schon mal zum Traktorenstau. «500 waren angemeldet, aber bereits heute Morgen tauchten noch rund 100 unangemeldet mit ihren alten Traktoren hier auf», berichtet Paul Gfeller, der als Präsident des Vereins Freunde alter Landmaschinen Sektion Bern der Organisation der Veranstaltung vorsteht. Sein Verein feiert mit dem Treffen den 25. Geburtstag.

 

Im grossen Festzelt spielt die Musik, etwas weiter unten im Dorf rattert die alte Dreschmaschine der Firma Bergundthal aus Schüpfen. Dafür, dass die alte Maschine an diesem Wochenende auch Arbeit hat, sorgte Paul Gfeller schon vor ein paar Tagen: Er erntete das Korn auf seinem Acker in Rüfenacht nach alter Väter Sitte, band es zu Garben, die jetzt der alten Maschine übergeben werden. «Ich besitze noch eine sogenannte Lieuse, mit der man den Weizen mähen und gleichzeitig zu Garben binden kann», erklärt Gfeller nicht ohne Stolz. Das Korn, das die alte Dreschmaschine in die Jutensäcke speit, ist ohne Abfall und kann wie früher ohne eine zusätzliche Reinigung in die Mühle gebracht werden.

 

Die Faszination

Überhaupt: früher. Da war einmal ein junger Mann namens Paul Gfeller, der auf einem Bauernhof aufwuchs. Dort sah er die heute alten und überholten Gerätschaften noch in Aktion. Und als er dann einen völlig verrosteten Ursus Glühkopf Bulldog günstig kaufen konnte, war er nicht mehr zu halten. «Zu Hause fragten sie mich, was ich denn mit diesem Ding machen wolle», beschreibt er die «grosse Freude» seiner Eltern, als er diesen Rosthaufen nach Hause brachte. Zusammen mit seinem Bruder, der Lastwagenmechaniker ist, stellten sie den Bulldog wieder instand. «Wir konnten vieles selber machen, mussten aber auch ein paar völlig verrostete Metallteile nachbauen lassen.» Ihn fasziniere das heute noch: An den alten Maschinen könne er selber schrauben. «Wenn ein moderner Traktor nicht mehr funktioniert, musst du jemanden kommen lassen, denn da ist so vieles elektronisch, dass man nicht mehr viel selber reparieren kann.»

 

Den meisten der rund 900 Mitglieder seines Vereins gehe es gleich: Sie haben die alten Maschinen noch im Einsatz gesehen und wollen sie bewahren. Im Fall von Paul Gfeller mit Erfolg: Sein Ursus Bulldog steht heute mitten im Dorf, dahinter seine alte Dreschmaschine, die er mittels Übertragungsriemen mit dem Schwungrad des Ursus antreiben kann. «Früher hatte man ja noch nicht überall Strom. So brauchte man einen Antrieb mit Diesel, der mit dem Traktor bewerkstelligt wurde», berichtet Gfeller.

 

Es zum Laufen zu bringen, ist gar nicht so einfach: Mit einem offenen Feuer muss vorne am Motor die Vergaserlampe beheizt werden, bis diese rot glühend ist. Erst dann kann Gfeller mit dem Lenkrad, das er zu diesem Zweck vom Führerstand entfernt und auf der Seite des Traktors in eine passende Fassung gesteckt hat, mit einer schwungvollen Drehung dafür sorgen, dass die Dieselverbrennung in Gang kommt.

 

Der Nachlass des Museums

Paul Gfeller und seine Freunde alter Landmaschinen sind mit ihrer Faszination nicht allein. An diesem Samstag pilgern Hunderte von Besuchern nach Vielbringen. Da wird zwischen den alten Traktoren gefachsimpelt, die sauber geputzten Maschinen werden meist fachmännisch beäugt und kommentiert. Gfellers Verein ist vor 50 Jahren im Nachgang an die Auflösung des Landmaschinenmuseums vom Förderverein alter Landmaschinen in Toffen entstanden. Bald darauf war Paul Gfeller Vereinsmitglied. Heute gebe es für die Maschinen keinen zentralen Ausstellungsort mehr. «Unsere Mitglieder haben sie einfach bei sich zu Hause und zeigen sie gerne an Veranstaltungen.»

 

Die älteste in Vielbringen ausgestellte Maschine gehört Franz Herrmann aus Enggistein. Er sitzt den ganzen Samstag neben seinem Vehikel aus dem Jahr 1896. Ein Antriebsmotor, der einst in einer Werkstatt eine Säge oder etwas Ähnliches angetrieben hatte. Danach stand der Motor jahrelang irgendwo herum, bis ihn jemand mit Rädern ausstattete. So nutzte ihn ein Bauer für Holzerarbeiten. Diese Geschichte erzählt Herrmann gerne und an diesem Wochenende sicher häufig.


Autor:in
Christine Nydegger, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 19.08.2019
Geändert: 20.08.2019
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