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Schärers Weg in die Politik: Vom Badmeister zum Präsidenten

Linus Schärer, ein bodenständiger Walliser mit finnischen Wurzeln, hat einen ungewöhnlichen Weg in die Politik gefunden. Vom Badmeister in Helsinki zum Parlamentspräsidenten in Münsingen. Vor seiner ersten Sitzung als Parlamentspräsident erzählt er, warum er nicht den Grünen beigetreten ist und was Eisbaden bei ihm auslöst.

Der Walliser Linus Schärer übernimmt in Münsingen. (Foto: rb)

Linus Schärer begrüsst mich mit seinem breiten Walliser Dialekt. «Als Walliser hat man schon einen gewissen Bonus, hier in Bern», wird er später im Gespräch sagen. Wir treffen uns bei ihm in Münsingen zuhause auf einen Espresso. Vom Holztisch im Esszimmer sieht man auf den Belpberg, es ist ruhig in diesem Quartier.

 

Brig – Helsinki - Münsingen

Linus Schärer (42) ist in Brig-Glis im Oberwallis aufgewachsen, sein Vater arbeitete als Chemiker bei der Lonza, seine Mutter kommt aus Finnland. Nach dem Studium zog es Schärer für einige Jahre nach Helsinki, eine Stadt, die ihm durch zahlreiche Familienurlaube bereits vertraut war.

 

Job als Badmeister

Dank seiner finnischen Verwandtschaft und seiner fliessenden Sprachkenntnisse fühlte er sich dort schnell heimisch. «Zunächst arbeitete ich als Badmeister», erzählt er lachend. Schon im Brigerbad hatte er dies als Sommerjob ausgeübt und fand es grossartig – auch wenn manche seiner Uni-Kollegen den Kopf schüttelten. Dass ein studierter Sportwissenschaftler in einer Badeanstalt arbeitet, konnten einige nicht nachvollziehen. Ihm ging es jedoch darum, sein eigenes Geld zu verdienen.

 

Durch die Badi kam er zum Sportamt dieses Vororts von Helsinki, danach wechselte er in den Outdoorsport, lernte eine Frau kennen. Aus der Bekanntschaft wurde mehr und wie es die Umstände manchmal wollen, kehrte Schärer mit seiner finnischen Frau und ihrem ersten Kind zurück in die Schweiz. Erst wohnten sie in Biel, dann zogen sie nach Münsingen, wo sie heute mit ihren drei Kindern wohnen.

 

Der Kaltwasserpolitiker taucht unter

Pünktlich zum Neujahr stieg Linus Schärer zum ersten Mal in diesem Jahr in die Aare. «Das Wasser war nur grad 5,7 Grad kalt, da plaudert man nicht mehr zusammen», erzählt er schelmisch. «Bei zehn Grad kann ich das noch, bei fünf Grad Kälte schweigt man lieber.» Mit einem Bekannten zieht er das wöchentliche Eisbaden eisern durch. «Ich wollte mal ganzjährig in die Aare», erklärt er. Zufällig sei er im Gespräch mit einem Nachbarn auf das Thema gekommen, seit September treffen sie sich nun regelmässig jede Woche, um gemeinsam in die kalte Aare zu steigen.

 

«Ich bin kein spiritueller Mensch, aber das Eisbaden hat einen meditativen Charakter. Im Moment, in dem man komplett im kalten Wasser ist, konzentriert man sich voll auf seinen Körper, auf das Hier und Jetzt.» Diese Erfahrung ist ihm nicht fremd, denn schon in Finnland hatte er dies praktiziert.

 

Einmal um die Welt und dann zur SP

Der Sport zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben von Schärer. Beruflich engagiert er sich beim Kanton dafür, dass Kinder an den Schulen zu genügend Sport und Bewegung kommen.

 

Privat legte er mit seinem E-Bike in zehn Jahren über 40’000 Kilometer zurück. «Wir haben eine Garage, aber kein Auto», lacht er. Dafür fahre er praktisch das ganze Jahr über Velo. Sei es zum Einkaufen oder zur Arbeit in die Stadt. «Ausser wenn es glatt ist oder zu garstig.» Kein Auto, immer auf dem Velo - das würde parteipolitisch zu den Grünen passen. Fehlalarm. Als er vor über zehn Jahren nach Münsingen zog, recherchierte er im Internet, um zu schauen, welche Ortsparteien es gibt. Schärer besuchte spontan eine Versammlung der SP und trat bei. «Wenn es die GLP damals schon gegeben hätte, wäre ich wohl dort gelandet. Grün wäre kein Thema gewesen, Umwelt ist gut und recht, aber bei den Grünen liegt mir der Fokus zu sehr auf der Umwelt.»

 

Steile parteiinterne Karriere

So trat Schärer der SP bei, und sprintete parteiintern die Karriereleiter hoch. Erst Parteichef, dann Fraktionschef im Münsinger Parlament, jetzt Parlamentspräsident. Bei den Wahlen im Herbst will er zudem für den Gemeinderat von Münsingen kandidieren. «Es wird schwierig, den zweiten SP-Sitz zu halten», sagt er, aber versuchen will er es.  

 

Seine früheste Erinnerung an Politik

Politisiert wurde Linus Schärer während des Abstimmungskampfs zum UNO-Beitritt der Schweiz Anfang der Nullerjahre. Das Thema packte ihn so sehr, dass er sich prompt Ja-Kleber bestellte, um für den Beitritt zu werben. Mit Eifer klebte er diese im Dorf Brigerbad auf Kandelaber, bis ihn eines Tages ein Mann ansprach. «Wir gründen gerade eine Jungsozialisten-Sektion im Oberwallis», meinte dieser.

 

Schärer war neugierig, schloss sich an, besuchte Treffen und trat der Partei bei. Doch die anfängliche Begeisterung schwand schnell. «Die redeten plötzlich von der Abschaffung des Kapitalismus – das war mir zu krass», erinnert er sich. Es wurde ihm zu radikal, und er zog sich zurück, um sich stattdessen voll auf das Gymnasium zu konzentrieren. Auch wenn er der JUSO damals den Rücken kehrte, hat ihn das politische Engagement nie ganz losgelassen. Heute, viele Jahre später, steht Schärer an der Spitze des Münsinger Parlaments.

 

Der Walliser übernimmt in Münsingen

Am 21. Januar wird er erstmals die Sitzung im Münsinger Parlament leiten. Es sei ihm wichtig, die Sitzungen speditiv zu führen, damit sie glatt ablaufen. «Ohne eine Prise Humor und die nötige Gelassenheit hält man es in der Politik nicht aus», schmunzelt Linus Schärer zum Schluss. Dank seinem Walliser Schalk dürfte ihm dies gelingen.


Autor:in
Rolf Blaser, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 21.01.2025
Geändert: 21.01.2025
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