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15 Monate Arbeit und ein Kran: Historische Worber Grabplatte vor Zerfall gerettet

Ein Stück Worber Geschichte ist wieder fit für die Zukunft: Die Grabplatte des vor fast 300 Jahren verstorbenen Christoph von Graffenried wurde restauriert. Mehrere Monate und aufwändige Verfahren waren nötig, um die von Wind und Wetter gezeichnete Platte vor dem Zerfall zu bewahren.

Sorgte dafür, dass sie erhalten bleibt: Aloys von Graffenried mit der restaurierten Grabplatte seines Verwandten Christoph von Graffenried. (Bild: Isabelle Berger)

Einst lagen sie in der Worber Kirche, seit rund 40 Jahren sind die Grabplatten von 13 Mitgliedern der Adelsfamilien von Diessbach und von Graffenried vor der Kirche unter einem Dächli aufgestellt. Die Jüngste davon erinnert an Christoph V. von Graffenried (1661-1743). Den Worber:innen dürfte er bekannt sein als Gründer von New Bern im US-amerikanischen Bundesstaat North Carolina. "Er war eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Familie von Graffenried", sagt Aloys von Graffenried, ehemaliger Bigler Hausarzt und Verwandter Christophs V. in der 12. Generation.

 

Inschrift beinahe für immer verloren

"Die Grabplatte war in einem schlechten Zustand. Wenn man nichts gemacht hätte, hätte man die Inschrift bald nicht mehr lesen können", sagt von Graffenried. Seine Familie sei vom Restaurator Josef Ineichen darauf aufmerksam gemacht worden. Ineichen ist zuständig für die Skulpturen im Worber Neuschloss, welches ebenfalls Mitgliedern der Familie von Graffenried gehört. "Die Platte ist aus Gurten-Sandstein, welcher weniger robust ist als derjenige aus Ostermundigen", sagt von Graffenried. Das Wetter habe den Stein und damit auch die kunstvollen Ornamente, die Bemalung und die vergoldete Inschrift zersetzt.

 

Als früherer Präsident des Familienvereins der von Graffenrieds nahm sich Aloys von Graffenried der Sache an. Er veranlasste die Restaurierung der Platte im Atelier von Ineichen und seiner Mitarbeiterin Therese Neininger in Rupperswil, welche das Projekt kunsthistorisch begleitete. Zudem rief von Graffenried die Familie zu Spenden für das Vorhaben auf. Auf rund 40 000 Franken beläuft sich der Kostenvoranschlag der eineinviertel Jahre dauernden Arbeiten. Neben der Familie beteiligten sich die Kirchgemeinde Worb und die kantonale Denkmalpflege mit je 10 000 Franken an den Kosten. Die Abrechnung steht noch aus.

 

Aufwändige Restaurierung

Die Restaurierung sei anspruchsvoll gewesen, sagt von Graffenried. Der mit Wasser vollgesogene Sandstein musste zuerst in einem langen Prozess getrocknet werden. Danach wurde er gereinigt, Hohl- und Fehlstellen aufgefüllt und die Ornamente und Inschriften wiederhergestellt. "Das war besonders schwierig, weil man nicht mehr wusste, was da einmal stand." Die Inschrift musste unter Beibezug von Sprachexpert:innen rekonstruiert werden.

 

Und dann war da noch der Transport der rund ein Tonnen schweren und rund zwei mal ein Meter grossen Platte. Vor allem der Rücktransport und die erneute Installation in der Halterung unter dem Dach in Worb Ende August sei kompliziert gewesen. "Das Dach musste entfernt und die Platte in Millimeterarbeit mit einem Kran hinuntergelassen werden", so von Graffenried. Die frisch restaurierte Platte durfte keinen Schaden nehmen.

 

Denkmal für einen Kolonialisten

Es gelang und die Grabplatte erstrahlt nun in neuem Glanz vor der Worber Kirche. Schön und gut. Doch darf nicht vergessen werden, wen die Platte ehrt: Christoph V. ging als Kolonialist nach Amerika. Die Kolonialisierung Amerikas und damit auch die Errichtung der Stadt New Bern bedeuteten die Vertreibung der indigenen Bevölkerung. Mit Folgen bis heute. Zudem sollten in der neuen Stadt die wegen ihres Glaubens in der Schweiz verfolgten Täufer:innen dauerhaft abgeschoben werden.

 

Die Familie wisse um diese Zusammenhänge, sagt von Graffenried. "Es ist sicher ein grauer Fleck in der Familie." Dass diese dazu eine offizielle Haltung hätte, wäre ihm aber nicht bekannt. Wiedergutmachungsdiskussionen seien nie geführt wurden. Jedenfalls pflege die Familie ein gutes Verhältnis zu den Nachfahren Christophs V. in den USA. Unter ihnen gebe es auch Schwarze. Sie seien Nachfahren einstiger Sklaven der Familie von Graffenried, die nach Beendigung der Sklaverei den Namen ihrer ehemaligen Besitzer:innen angenommen hätten. Eine Delegation aus den USA habe anfang diesen Monats an der 750-Jahre-Feier der Familie von Graffenried in Bern teilgenommen. Sie habe auch die restaurierte Grabplatte in Worb besichtigt. "Der Sohn Christophs des V., Christoph VI., ist ihr direkter Vorfahr. Sie sind stolz darauf", so von Graffenried. Die Familie sei zudem verpflichtet, ihre Kulturdenkmäler zu erhalten. Insofern sei sie froh, dass dies bei der Grabplatte gelungen sei.
 

[i] Um der Verwirrung vorzubeugen: Christoph der V. wird im Buch "Worb Pfarrkirche" als Christoph III. bezeichnet.


Autor:in
Isabelle Berger, info@bern-ost.ch
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Erstellt: 24.09.2022
Geändert: 16.02.2023
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