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Wärmeverbund Grosshöchstetten: Erneute Kritik, ein paar Antworten und ein Versprechen

Die Energie Grosshöchstetten AG und das Projekt Wärmeverbund Neuhuspark sorgen erneut für Aufregung: Einer der im Dezember abgesetzten Verwaltungsräte wirft der Gemeinde vor, sie habe klammheimlich die neue Eigentümerstrategie auf der Gemeindeseite aufgeschaltet. Damit habe sie intransparent gehandelt, eventuell sogar etwas gemischelt. Die Gemeindepräsidentin kontert: Alles sei ordnungsgemäss abgelaufen.

Ex-Verwaltungsrat Ulrich Brunner und Gemeindepräsidentin Christine Hofer sind sich nicht einig, ob rund um das Projekt Wärmeverbund Neuhuspark alles ordnungsgemäss gelaufen sei. (Foto: Archiv BERN-OST/zvg)

Es will nicht ruhig werden rund um die Energie Grosshöchstetten AG (ENGH) und das Projekt Wärmeverbund Neuhuspark: Jetzt gerät der Gemeinderat von Grosshöchstetten erneut in die Kritik, diesmal wegen der neuen Eigentümerstrategie, die auf der Homepage der Gemeinde aufgeschaltet wurde. Das sei ein intransparentes Vorgehen, moniert Ulrich Brunner, einer der abgesetzten Verwaltungsräte der ENGH. Er findet die Anpassung «unpassend und teilweise heikel». Dazu später mehr.

 

Von der Absetzung des Verwaltungsrats…

Zum besseren Verständnis: Die Querelen rund um die Energie Grosshöchstetten AG (ENGH) haben im letzten Dezember ihren Anfang genommen. Per 1. Dezember setzte nämlich der Gemeinderat vier Verwaltungsräte der ENGH ab und ersetzte sie durch eigene Leute. Der Grund: Die vier abgesetzten Verwaltungsräte hatten sich gegen den geplanten Wärmeverbund Neuhuspark ausgesprochen.

 

…über den offenen Brief…

Anfang Februar wehrten sich die geschassten VR-Mitglieder mit einem offenen Brief gegen dieses Vorgehen (BERN-OST berichtete). Sie warfen dem Gemeinderat vor, er habe «einseitig und unvollständig orientiert» und fanden, es sei ihre Bürgerpflicht, eine ausgewogene Sicht zu ermöglichen. 

 

…bis zum neusten Vorwurf

Das war Anfang Februar. Zwei Monate später folgt jetzt der nächste Vorwurf von Ulrich Brunner, einem der vier abgesetzten Verwaltungsräte. Die Gemeinde habe die Eigentümerstrategie für die ENGH per 11. März 2024 geändert – mit Absicht, wie er vermutet: «Gemäss der vorherigen Eigentümerstrategie war es dem Verwaltungsrat gar nicht möglich, dem Projekt Wärmeverbund Neuhuspark zuzustimmen.»

 

Eine nachträgliche Legalisierung?

Brunner überlegt daher, ob die neue Eigentümerstrategie «eine nachträgliche Legalisierung des Projekts» sei. Gemeindepräsidentin Christine Hofer (EVP) verneint: Der Gemeinderat habe die Eigentümerstrategie im September 2023 angepasst und die aktualisierte Version dem damaligen Verwaltungsrat vorlegen wollen. «Zu diesem Zeitpunkt rechnete der Gemeinderat mit der Zusage des Verwaltungsrates zum Wärmeverbund.»

 

Die Kenntnisgabe habe sich dann aufgrund der Geschehnisse verzögert, erklärt sie: «Aus zeitlichen Gründen erfolgte die Genehmigung im Gemeinderat erst im März 2024.»

 

Oder gar eine «geplante Kässeliübernahme»?

Ex-Verwaltungsrat Ulrich Brunner findet dennoch stossend, dass die Aufschaltung der neuen Eigentümerstrategie «klammheimlich» stattgefunden habe: «Ich habe sie nur ganz zufälligerweise gesehen und wurde nicht informiert, obwohl ich mich kurz zuvor mit Christine Hofer zum Gespräch getroffen habe.»

 

Es sei bekannt, dass die ENGH die benötigten Finanzen nicht von Banken bekomme, sondern bei der Gemeinde eine Anfrage für einen Kredit oder eine Eigenkapital-Erhöhung stellen müsse, um die Liquidität sicherzustellen. «Die Gemeinde als Aufsicht der ENGH muss also zwingend weitere Verbindlichkeiten stoppen, bis dieser Kredit oder eine Eigenkapital-Erhöhung vom Volk genehmigt ist.»

 

Er stellt daher den Verdacht in den Raum, es gehe um eine «geplante Übernahme des ENGH-Kässelis, um an den Gemeindefinanzen vorbei Schulden machen zu können».

 

«Der Gemeinderat kennt seine Kompetenzen»

Christine Hofer kontert, sie habe keinen Grund gesehen, die Bürger:innen explizit über die neue Eigentümerstrategie zu informieren – ohne böse Absicht: «Obwohl die Gemeinde in den nächsten Jahren grosse Investitionen plant, die bei Zustimmung der Stimmberechtigten die Gemeindefinanzen belasten werden, ist schon nur der Gedanke an so ein Vorgehen abwegig», stellt sie klar: «Der Gemeinderat kennt seine Kompetenzen und hat sich an die Vorgaben, Richtlinien und Reglemente zu halten.»

 

Wird der Verwaltungsrat politisiert?

Genau diese Aussage zweifelt Ulrich Brunner an, umso mehr, weil die Gemeinde in der neuen Eigentümerstrategie Anpassungen gemacht habe, die ihm fragwürdig scheinen. «Warum wurden beispielsweise zwei Mitglieder des Gemeinderats – statt wie vorher angekündigt nur ein Mitglied – für die Vertretung im Verwaltungsrat festgelegt?» Er kritisiert, damit werde der Verwaltungsrat wieder politisiert. «Das finde ich enorm heikel, da dies klar gegen die Botschaft der Urnenabstimmung vom 14. Juni 2015 verstösst.»

 

«Nach dem Beispiel anderer Gemeinden»

Auch dieser Vorwurf bringt Christine Hofer nicht aus der Ruhe. «In der Botschaft der Urnenabstimmung im 2015 wurde festgelegt, dass die Anpassung der Eigentümerstrategie in die Kompetenz des Gemeinderates fallen soll», erklärt sie. «Somit kann der Gemeinderat entsprechende Anpassungen vornehmen.»

 

Der Gemeinderat habe die Zusammensetzungen diverser gemeindeeigenen Aktiengesellschaften aus anderen Gemeinden verglichen. «Dabei hat er festgestellt, dass mehrheitlich eine Zweierdelegation des Gemeinderats in diesen Gremien vertreten ist, um die politische und strategische Haltung entsprechend einbringen zu können.» Das habe den Gemeinderat dazu bewogen, die Eigentümerstrategie in diesem Punkt anzupassen.

 

Ethisch fragwürdig oder vertretbar?

Diese Antworten reichen Ulrich Brunner nicht. Er empfindet die Anpassung des Reglements – «nach einer Projektphase von mehr als 1½ Jahren und nach dem Rausschmiss der Verwaltungsrats-Mitglieder» – als «ethisch fragwürdig».

 

Das wiederum versteht Christine Hofer nicht. «Einen Verstoss gegen das Reglement bei einer Zustimmung zum Projekt Wärmeverbund hätte der Verwaltungsrat schon vor knapp zwei Jahren kommunizieren müssen», findet sie. Diese Rückmeldung an den Gemeinderat sei nie erfolgt. «Den Entscheid des Gemeinderats kann ich daher vertreten.»

 

Keine öffentliche Antwort zum offenen Brief

Unbeantwortet bleibt, wie der Gemeinderat auf den offenen Brief vom Februar reagieren will, wie das Gemeindepräsidentin Hofer im Februar versprochen hatte. Eine Reaktion sei noch nicht erfolgt, sagt Ulrich Brunner. Er fragt sich, ob die neue Eigentümerstrategie als Reaktion darauf zu verstehen sei.  

 

Christine Hofer winkt ab. «Der Gemeinderat hat sich gründlich mit der Frage auseinandergesetzt, wie er auf den offenen Brief reagieren will und hat sich entschieden, sich nicht öffentlich zu äussern.» Ihre Aussage habe sie vor der Besprechung mit dem Gemeinderat gemacht. Aber: «Die Eigentümerstrategie als Antwortschreiben auf den offenen Brief zu benützen, entspricht nicht unserer Art der Kommunikation.»  

 

«Ins offene Messer laufen lassen»

Genau die Art der Kommunikation bereitet Ulrich Brunner jedoch Mühe: Der Gemeinderat habe nach dem negativen Entscheid nie das Gespräch zum alten Verwaltungsrat gesucht, sagt er. Dass die neue Eigentümerstrategie bereits im September vorgelegen habe, aber nicht an den Verwaltungsrat ENGH weitergegeben worden sei, findet er bedenklich: «Der Gemeinderat hat uns ins offene Messer laufen lassen.»

 

Er ist deshalb mit den Antworten seitens der Gemeindepräsidentin nur teilweise zufrieden und hält trotzdem an seiner Vermutung fest: «Dies deutet klar auf eine geplante Machtübernahme hin.»

 

«Bis zuletzt geglaubt, der Verwaltungsrat stimme zu»

Dem hält die Gemeindepräsidentin entgegen, der Gemeinderat habe bis zuletzt daran glauben dürfen, der Verwaltungsrat werde dem Projekt zustimmen: «Kurz vorher genehmigte der Gemeinderat noch Dokumente, die der Verwaltungsrat zu diesem Geschäft gefordert hatte.»  

 

Zum Schluss ein grosses Versprechen

Ob die anderen Fragen und Vorwürfe geklärt sind oder nicht - die Frage, die wohl viele am brennendsten interessiert, lautet: Wird der Wärmeverbund Neuhuspark wie angekündigt auf die nächste Heizsaison realisiert?

 

Die Antwort klingt vielversprechend: «Die Heizzentrale des Wärmeverbunds wird für den Anschluss Neuhuspark in diesem Jahr erstellt», versichert Gemeindepräsidentin Christine Hofer. «Damit kann vorerst der Neuhuspark mit Wärme versorgt werden.»


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 04.04.2024
Geändert: 04.04.2024
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