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Walkringen - Emmentaler Liebhaberbühne: Die Frage nach Schuld und Sühne

Die Emmentaler Liebhaberbühne feierte am Samstag im Rüttihubelbad Premiere mit «Wyssi Ross», einer abgewandelten berndeutschen Version des Stücks «Rosmersholm» vom norwegischen Dramatiker Henrik Ibsen.

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«Wyssi Ross hei mitem Tod z’tüe», raunt Frau Helseth (Margrith Stalder) mit einem sorgenvollen Blick aus dem Fenster. Denn die Haushälterin von Rosmersholm ist überzeugt davon, weisse Rosse zu sehen, wenn sich ein Unglück ankündigt. Und Unglück gibt es im Stück «Wyssi Ross», das die Emmentaler Liebhaberbühne diese Saison spielt, nicht wenig. Sei es das offensichtliche Unglück eines Todesfalls, das verborgene Unglück einer unerwiderten Liebe oder jenes einer verlorenen Ideologie.

Veränderte Originalfassung

Der norwegische Dramatiker Henrik Ibsen schrieb vor gut 120 Jahren ein Theaterstück, das auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüsst hat. Es geht um menschliche Abgründe und um die immer wiederkehrende Frage nach Schuld und Sühne. Der Originaltitel von Ibsens Stück ist «Rosmersholm» – wie der Name des Landsitzes der Familie Rosmer, auf dem die Geschichte spielt. Für die Emmentaler Liebhaberbühne hat Rudolf Stalder eine berndeutsche Neufassung erstellt. In «Wyssi Ross» ist indes nicht nur die Sprache eine andere, Stalder hat auch gewisse Teile des Werks weggelassen oder gleich ganz neu geschrieben.

Auf Rosmersholm lebt Johannes Rosmer (Hans Rudolf Kummer), ein ehemaliger Pfarrer, der sich vom christlichen Glauben losgesagt hat und sein neues Heil in freidenkerischen Ideen sucht. Er erhält Besuch von seinem Schwager, Rektor Kroll (Ueli Lehmann), mit dem er das politische Heu nicht gerade auf der gleichen Bühne hat. Zunächst scheint es, als ginge es Kroll in erster Linie darum, den «Landesverräter» Rosmer wieder zurück in sein Lager zu ziehen.

Bald jedoch wird klar, dass der eigentliche Grund von Krolls Besuch darin besteht, herauszufinden, wer seine Schwester Beate, die Ehefrau von Johannes Rosmer, in den Selbstmord getrieben habe.

Hier kommt nun die selbstbewusste Rebekka West (Christin Maho) ins Spiel, die schon seit längerer Zeit auf dem Landsitz der Rosmers lebt und sich vom ehemaligen Pfarrer angezogen fühlt, was im Verlauf des Stücks immer klarer wird.

«Nur ein Stück Wachs»

Und mit der Zeit wird auch klar, dass Rebekka nicht nur Einfluss auf Rosmers politische Gesinnung hatte, sondern auch am Selbstmord von dessen Frau Beate nicht ganz unschuldig war. Und plötzlich fällt es auch Johannes Rosmer wie Schuppen von den Augen, dass seine Frau nicht einfach «nicht richtig im Kopf» gewesen war, sondern von ihm und Rebekka in den Tod getrieben wurde.

Die Schuld möchte er aber dennoch nicht auf sich nehmen. Er sei nur ein Stück Wachs gewesen, das von Rebekka beliebig geformt worden sei. War es früher sein ideologischer Lehrer, der Schriftsteller Ulrich Brendel (Franz Mumenthaler), der seine Gedanken geprägt hatte, soll es später Rebekka West gewesen sein. Sie hingegen gibt die Schuld dem «Geist von Rosmersholm» und klagt, dass Rosmersholm sie kaputtgemacht habe.

Im vierten und letzten Akt fallen schliesslich die Masken. Nun ist Schluss mit vagen Andeutungen und wohlüberlegten Sätzen – schonungslos offen werden Fehler zugegeben und Erwartungen formuliert. Hier laufen auch die Schauspieler Christin Maho und Hans Rudolf Kummer zur Höchstform auf und führen «Wyssi Ross» zu einem unerwarteten Ende.

Ein Artikel aus der

www.ruettihubelbad.ch
www.walkringen.ch

Autor:in
Nicole Hättenschwiler, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 24.11.2008
Geändert: 24.11.2008
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