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Wetterstation Oberthal: Der junge Mann und das Wetter

Silas Walther betreibt seit Jahren eine Wetterstation im Oberthal. Er erzählt, warum er nicht über Plastiksäcke diskutieren mag, und was passiert, wenn in Grönland das Eis schmilzt.

Silas Walther: "Es gibt kein spannenderes Wetter als starker Schneefall." (Bilder: Rolf Blaser)
Die Wetterstation Oberthal misst: Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck, Windgeschwindigkeit, Böen, Windrichtung, Niederschlag, Sonneneinstrahlung und UV-Index.
Hier wird die Temperatur fünf Zentimeter über dem Boden gemessen.
Gemessen wird die Temperatur in einem Meter Tiefe und fünf Zentimeter über dem Boden.
Silas Walther: "Ich fahre oft mit dem Velo in die Höhe und geniesse den Blick Richtung Oberland. Mit dem Auto einem Gewitter nachfahren um zu spät zu kommen, das mache ich nicht."

Wir treffen uns im Elternhaus von Silas Walther (29) im Oberthal. Hinter dem Haus betreibt er seit 17 Jahren seine eigene Wetterstation. Am Tag des Besuchs präsentiert sich das Wetter wie so oft in den letzten Wochen: Blauer Himmel, keine Wolke, die Sonne scheint. Solches Wetter sei "furchtbar langweilig", sagt Walther. "Es gibt kein schöneres Wetter als starker Schneefall oder Gewitter."

 

Warum es schon so lange schön ist, dafür hat der Wetterexperte eine Antwort: "Wir haben eine stabile Hochdrucksituation über Mitteleuropa. Mit der Klimaerwärmung heizt sich der Nordpol mehr auf als der Rest der Erde. Dadurch verlangsamt sich der Wetterwechsel." Schon sind wir mitten im Thema.

 

Mit 12 die erste Wetterstation

Silas Walther ist im Oberthal aufgewachsen, zurzeit lebt er in Konolfingen. Das Wetter habe ihn schon als Knirps interessiert. In der Zeitung habe er immer zuerst die Wetterprognose angeschaut. "Spannend fand ich es dann, wenn nur schwarze Wolken für die nächsten Tage prognostiziert wurden. Das war selten." Statt nur in der Zeitung übers Wetter zu lesen, wollte der 12-Jährige selbst Daten erfassen und mitreden können. "So kam ich zu meiner ersten Wetterstation." 

 

Darum entstehen im Frühling Gewitter

Die Faszination fürs Wetter ist geblieben, Walther erklärt es so: "Das Wetter hier bietet sehr viel. Die letzten zwei Jahre arbeitete ich im Wallis, dort war das Wetter langweilig." Was denn das Wetter im Oberthal ausmache? "Zu jeder Jahreszeit haben wir hier spannende Phänomene. Bald kommen die Gewitter."

 

Die Erklärung, warum im Frühling ein wechselhafter Monat und Gewitter folgen, liefert er gleich mit: "Nach dem Winter ist die Atmosphäre kalt. Jetzt wärmt sich die Erdoberfläche durch die Frühlingssonne stark auf, während die höheren Luftschichten kalt bleiben - eine wichtige Bedingung für Gewitter. Warme Luft kann schneller aufsteigen und es kommt zu Gewittern."

 

Kein Meteorloge

Dass aus Silas Walther kein Wetterfrosch oder ein Moderator auf dem Dach geworden ist, hat einen einfachen Grund: "Für Meteorologen gibt es nur in Zürich und Basel Stellen. Das reizte mich nicht." Walther hat einen Bachelor in Geografie und einen Master in Glaziologie. Das Wetter fliesse auch in andere Bereiche ein. Im Wallis arbeitete er für ein Büro für Naturgefahren.

 

Da gehe es um Gefahrenkarten, aber auch um Sicherheitskonzepte für Baustellen, Strassen oder Bahnen. Solche Gefahrenkarten seien nicht nur beliebt bei den Behörden. "Aber man muss das machen." Die Herausforderung bestehe darin, auch 300-jährliche Ereignisse wie Lawinen, Steinschlag oder Hochwasser zu berücksichtigen.

 

Wenn Grönland schmilzt...

Zum Klimawandel sagt der Glaziologe aus dem Oberthal als erstes: "Klima hat nichts mit Parteipolitik oder Naturschutz zu tun. Es ist ein wichtiges Thema." Das Klima verändert sich, es wird wärmer. Von der wissenschaftlichen Seite her gesehen, sei es schon lange klar. "Aber die Umsetzung hapert. Bei zwei Grad globaler Erwärmung wird Grönland abschmelzen." Wenn Grönland grün wird und alles Eis geschmolzen ist, steige der Meeresspiegel um sieben Meter.

 

...geht Amsterdam unter

"Das hiesse landunter in Amsterdam und Istanbul. Alle grossen Städte liegen am Meer, eine Milliarde Menschen wäre auf der Flucht. Europa würde kleiner." Er sagt den Satz, den man sich erst durch den Kopf gehen lassen muss: "Emissionsreduktion ist Migrationspolitik." Oder einfacher: Je weniger wir mit dem Auto fahren, umso weniger Flüchtlinge kommen.

 

Es geht nicht um Plastiksäcke

Der Klimawandel sei ein frustrierendes Thema. "Das Ansteigen des Meeresspiegels um sieben Meter müsste ausreichen, um Nägel mit Köpfen zu machen", sagt Walther. Aber es passiere zu wenig. "Wir müssen nicht über Plastiksäcke sprechen! Man muss die grossen Stücke des Emissionskuchens anschauen. In der Schweiz ist das der Freizeitverkehr."

 

Bei der Stromgewinnung und im Gebäudebereich stehe die Schweiz gut da, das habe eine kürzlich publizierte Studie* gezeigt. "Diejenigen, die jährlich in die Ferien fliegen oder mit dem Auto auf den Gurnigel in die Natur fahren. Das ist das Problem."

 

Vollgas in die Mauer

Während wir uns unterhalten, schmilzt in Grönland das Eis. "Wir sind auf dem besten Weg dazu." Bis zu sieben Meter könnte der Meeresspiegel steigen, reicht es noch etwas zu machen? "Es ist nie zu spät. Am besten beginnen wir beim grössten Kuchenstück, also beim Verkehr." Zurzeit geniesst der Klimawandel nur eingeschränkte Aufmerksamkeit in den Medien. Ob ihm das nicht Angst mache? "Es sieht aus, als würden wir mit dem Auto in die Wand fahren. Das stimmt schon eher pessimistisch."

 

Wenn der Berg ruft

Optimistischer klingt es, wenn wir über Silas Walthers weiteres Hobby sprechen. Walther ist ein begnadeter Läufer. Er gewann letztes Jahr die Swiss Trail Tour an der Lenk und den Engadiner Ultratrail. Der Lenkerlauf führte über 86 Kilometer, der Engadiner über 53 bei 2'600 Höhenmetern. "Mein Traum war immer, einen Marathon zu gewinnen. Die Konkurrenz war nicht so stark", so Walther zum Rennen. Als er nach Grosshöchstetten in die Schule ging, legte er pro Tag 20 Kilometer mit dem Velo zurück.

 

Nach der Schulzeit begann er regelmässig zu joggen. Letztes Jahr lief er im Schnitt 50 Kilometer pro Woche. Daneben baut er so viel Bewegung wie möglich in den Alltag ein. Den Engadiner Ultratrail lief Walther zum ersten Mal. "Ich wollte langsam starten und war schon nach einem halben Kilometer in Führung. Das blieb dann so."

 

[i] Blick auf die Wetterstation Oberthal

 

[i] Weitere Wetterstationen in der Region Bern-Ost:

Wetterstation Appenberg Mirchel

Wetterstation Biglen

Wetterstation Niederhünigen

 

*Die erwähnte Studie zu den Treibhausgasen


Autor:in
Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch
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Erstellt: 02.04.2022
Geändert: 02.04.2022
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