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Wichtrach - Der Tuningvirus geht immer noch um
Ein Besuch an der Tuningmesse «Car Fever» in Wichtrach zeigt: Den Traum vom eigenen, personalisierten Auto teilen nach wie vor viele.
Jacqueline Rüegg wälzt ihren Ordner. Was hier drin steht, bedeutet ihr die Welt. Ein Beleg für die Minibar auf der Rückbank, ein weiterer für die Bassanlage im Kofferraum, ein anderer für die neonfarbene Beleuchtung des Unterbodens.
Der Ordner ist der Fahrzeugausweis von «Rocket Bunny», Rüeggs Heiligtum auf vier Rädern. «Das ist mein absoluter Traumwagen», verrät die quirlige Wädenswilerin. Ihre Augen glänzen dabei mit der pink schimmernden Lackierung von «Rocket Bunny» um die Wette.
Von Schwarz zu Pink-Weiss
Ursprünglich war das Auto ein schwarzer Honda CRX mit Jahrgang 1988. Über die Jahre hinweg hat ihn Jacqueline Rüegg zu dem umgebaut, was er heute ist: ihrem pink-weiss-farbenen Traum. Jeden Abend, 365 Tage im Jahr, verbringt die Bankangestellte dafür in der Garage. Jede Modifikation ist ein weiterer Schritt hin zur Perfektion.
«Die neuen Ideen kommen mir meist abends im Bett», verrät sie. Angesteckt mit dem Tuningvirus haben sie die Eltern. «Jetzt ist sie noch schlimmer als wir», sagt Ursula Rüegg und lacht. Sie, die Mutter, besetzt mit ihrem getunten Boliden auf der Messe den Platz neben der Tochter.
Ob sie spinne, sage sie jeweils zu Jacqueline, wenn sich wieder alles ums Auto dreht, so Ursula Rüegg. Die Autoliebe ihrer Tochter kann die Mutter aber gut nachfühlen. «Nichts anfassen», sagt sie ermahnend, als die Fotografen beginnen, das Innere von «Rocket Bunny» abzulichten.
Nichts anfassen gilt auch für Jacqueline Rüegg selbst. Einfach so in «Rocket Bunny» hineinsitzen, das geht nicht. «Das weisse Leder ist sehr empfindlich», sagt Rüegg schon fast mitfühlend. Wenn sie mal eine Runde in ihrem Auto dreht, dann wird vorher alles abgedeckt: Sitze, Boden, Armaturen – sogar über die Pedale stülpt sie winzige Kindersocken.
Kein Wunder, sind sie doch wie der Schaltknüppel und die Aussenspiegel mit Swarovski-Steinen besetzt. Hinters Steuer setzt sie sich nur mit den dafür vorgesehenen funkelnden Stöckelschuhen. Autoliebe, auf die Spitze getrieben: «Rocket Bunny» sei für sie wie ein Kind, sagt Jacqueline Rüegg.
Keine reine Männersache
Apropos Kinder: «Männer bleiben immer Kinder, nur die Spielzeuge werden teurer», steht auf dem Heck eines Autos geschrieben. Tatsächlich sind die meisten Besucher und über hundert Aussteller in der Sagibachhalle in Wichtrach Männer.
«Viele haben das einfach in sich. Den Drang, sich und ihr Auto zu präsentieren», sagt Luca Assante. Er ist einer der Mitorganisatoren der Publikumsmesse. Jeder kann hier sein Gefährt ausstellen und es bewerten lassen. Dass Autos reine Männersache sind, widerspricht aber nicht nur Jacqueline Rüeggs Beispiel.
Assante zeigt beim Rundgang auf einen Nissan GTR, einen solchen, wie ihn Paul Walker im berühmten Hollywoodstreifen «The Fast and the Furious» fuhr. «Der gehört auch einer Frau.» Den Männern falle jeweils fast der Kinnladen runter, wenn aus dem Kultauto eine Lady aussteige, erzählt Assante.
An Messen wie hier in Wichtrach finden sie zusammen: junge Menschen, die jede freie Minute und jeden freien Franken in ihr Auto investieren. Autos sind ein teueres Hobby. «Es gibt Messen, da gehören 90 Prozent der Autos der Bank», sagt Assante. In Wichtrach sei dies jedoch anders. Die Ausgangsmodelle sind hier nicht so teuer wie anderswo. Es gehe vor allem um die Modifikationen, sagt Assante.
Ein Klischee trifft in Wichtrach hingegen zu: Zu schönen Autos gesellen sich gerne leicht bekleidete Frauen. Die drei «Messemissen» Vanity, Nathalie und Eva ziehen beim Vorbeilaufen die Blicke der Männer kurzfristig von den Kurven der Autos hin zu anderen Kurven. Für viele hier die perfekte Symbiose: Frauen und Autos auf einem Bild vereint.
Drei Audis in der Garage
Johannes Dehm fährt dazu seinen Ford Focus RS vor. Allerdings schaut er dem Fotoshooting noch etwas misstrauisch entgegen. «Einfach nicht auf die Fronthaube sitzen», sagt er besorgt. Anlehnen sei gerade noch okay.
Vanity, Nathalie und Eva umgarnen Dehms Auto. Laszive Blicke, tiefe Ausschnitte – sofort blitzen die Kameras. Die drei Models sind selbst auch autobegeistert. Einen Audi RS 6 fahre sie, sagt Nathalie. Auch bei Vanity und Eva steht ein Audi in der Garage. An Tuningmessen sind die drei Frauen Stammgäste. Vanity hat ihren Freund auf einer solchen Messe kennen gelernt.
Als er sie damals im sexy Polizistinnendress gesehen habe, habe er zu ihr gesagt: «Du fällst anscheinend gerne auf.» Wenig später fuhr er mit einem Auto vor, das auch auffiel. Zwei Herzen hatten sich gefunden.
Über Geld spricht man nicht
Gemeinsame Interessen verbinden, und so wird eine Tuningmesse schnell mal zur Partnermesse. Auch Johannes Dehm hat seine Freundin an einem solchen Anlass kennen gelernt.
Was sagt sie dazu, dass sie ihren Partner quasi mit einem Auto teilen muss? «Sie kommt damit klar», sagt der gelernte Schreiner. Er ist von Diepoldsau nach Wichtrach angereist. Was er verdient, fliesst direkt ins Auto. Ferien macht Dehm keine. «Die Tuningtreffen im Sommer sind für mich wie Ferien», sagt er. Wie viel Geld hat er denn bereits in seinen 420-PS-Boliden investiert? Dehm schmunzelt. «Darüber spricht man nicht», sagt er.
Nein, wie viel Geld, Zeit und Kreativität in ein Auto geflossen sind, sollen die Besucher sehen, hören und fühlen: sehen, wie funkelnd die Carrosserie glänzt, hören, wie laut der Motor brummt, und fühlen, wie eindringlich der Bass wummert.
Johannes Dehm steigt zurück in sein Auto. Der Klappenauspuff knallt laut auf wie ein Böller an der Fussball-EM in Frankreich. Gut zwanzig Meter sind es zurück an seinen Platz. Viel mehr Meter legt er mit seinem Auto an diesem Wochenende nicht mehr zurück. Wie auch Jacqueline Rüegg liess Dehm sein Auto nach Wichtrach transportieren.
Kommt das Auto überhaupt einmal zu einem «normalen» Einsatz? Ja, sagt Dehm: «Manchmal fahre ich zu Hause um den Block, um eine Glace zu holen.» Die Blicke der Fussgänger sind ihm auch dann auf sicher.
Der Ordner ist der Fahrzeugausweis von «Rocket Bunny», Rüeggs Heiligtum auf vier Rädern. «Das ist mein absoluter Traumwagen», verrät die quirlige Wädenswilerin. Ihre Augen glänzen dabei mit der pink schimmernden Lackierung von «Rocket Bunny» um die Wette.
Von Schwarz zu Pink-Weiss
Ursprünglich war das Auto ein schwarzer Honda CRX mit Jahrgang 1988. Über die Jahre hinweg hat ihn Jacqueline Rüegg zu dem umgebaut, was er heute ist: ihrem pink-weiss-farbenen Traum. Jeden Abend, 365 Tage im Jahr, verbringt die Bankangestellte dafür in der Garage. Jede Modifikation ist ein weiterer Schritt hin zur Perfektion.
«Die neuen Ideen kommen mir meist abends im Bett», verrät sie. Angesteckt mit dem Tuningvirus haben sie die Eltern. «Jetzt ist sie noch schlimmer als wir», sagt Ursula Rüegg und lacht. Sie, die Mutter, besetzt mit ihrem getunten Boliden auf der Messe den Platz neben der Tochter.
Ob sie spinne, sage sie jeweils zu Jacqueline, wenn sich wieder alles ums Auto dreht, so Ursula Rüegg. Die Autoliebe ihrer Tochter kann die Mutter aber gut nachfühlen. «Nichts anfassen», sagt sie ermahnend, als die Fotografen beginnen, das Innere von «Rocket Bunny» abzulichten.
Nichts anfassen gilt auch für Jacqueline Rüegg selbst. Einfach so in «Rocket Bunny» hineinsitzen, das geht nicht. «Das weisse Leder ist sehr empfindlich», sagt Rüegg schon fast mitfühlend. Wenn sie mal eine Runde in ihrem Auto dreht, dann wird vorher alles abgedeckt: Sitze, Boden, Armaturen – sogar über die Pedale stülpt sie winzige Kindersocken.
Kein Wunder, sind sie doch wie der Schaltknüppel und die Aussenspiegel mit Swarovski-Steinen besetzt. Hinters Steuer setzt sie sich nur mit den dafür vorgesehenen funkelnden Stöckelschuhen. Autoliebe, auf die Spitze getrieben: «Rocket Bunny» sei für sie wie ein Kind, sagt Jacqueline Rüegg.
Keine reine Männersache
Apropos Kinder: «Männer bleiben immer Kinder, nur die Spielzeuge werden teurer», steht auf dem Heck eines Autos geschrieben. Tatsächlich sind die meisten Besucher und über hundert Aussteller in der Sagibachhalle in Wichtrach Männer.
«Viele haben das einfach in sich. Den Drang, sich und ihr Auto zu präsentieren», sagt Luca Assante. Er ist einer der Mitorganisatoren der Publikumsmesse. Jeder kann hier sein Gefährt ausstellen und es bewerten lassen. Dass Autos reine Männersache sind, widerspricht aber nicht nur Jacqueline Rüeggs Beispiel.
Assante zeigt beim Rundgang auf einen Nissan GTR, einen solchen, wie ihn Paul Walker im berühmten Hollywoodstreifen «The Fast and the Furious» fuhr. «Der gehört auch einer Frau.» Den Männern falle jeweils fast der Kinnladen runter, wenn aus dem Kultauto eine Lady aussteige, erzählt Assante.
An Messen wie hier in Wichtrach finden sie zusammen: junge Menschen, die jede freie Minute und jeden freien Franken in ihr Auto investieren. Autos sind ein teueres Hobby. «Es gibt Messen, da gehören 90 Prozent der Autos der Bank», sagt Assante. In Wichtrach sei dies jedoch anders. Die Ausgangsmodelle sind hier nicht so teuer wie anderswo. Es gehe vor allem um die Modifikationen, sagt Assante.
Ein Klischee trifft in Wichtrach hingegen zu: Zu schönen Autos gesellen sich gerne leicht bekleidete Frauen. Die drei «Messemissen» Vanity, Nathalie und Eva ziehen beim Vorbeilaufen die Blicke der Männer kurzfristig von den Kurven der Autos hin zu anderen Kurven. Für viele hier die perfekte Symbiose: Frauen und Autos auf einem Bild vereint.
Drei Audis in der Garage
Johannes Dehm fährt dazu seinen Ford Focus RS vor. Allerdings schaut er dem Fotoshooting noch etwas misstrauisch entgegen. «Einfach nicht auf die Fronthaube sitzen», sagt er besorgt. Anlehnen sei gerade noch okay.
Vanity, Nathalie und Eva umgarnen Dehms Auto. Laszive Blicke, tiefe Ausschnitte – sofort blitzen die Kameras. Die drei Models sind selbst auch autobegeistert. Einen Audi RS 6 fahre sie, sagt Nathalie. Auch bei Vanity und Eva steht ein Audi in der Garage. An Tuningmessen sind die drei Frauen Stammgäste. Vanity hat ihren Freund auf einer solchen Messe kennen gelernt.
Als er sie damals im sexy Polizistinnendress gesehen habe, habe er zu ihr gesagt: «Du fällst anscheinend gerne auf.» Wenig später fuhr er mit einem Auto vor, das auch auffiel. Zwei Herzen hatten sich gefunden.
Über Geld spricht man nicht
Gemeinsame Interessen verbinden, und so wird eine Tuningmesse schnell mal zur Partnermesse. Auch Johannes Dehm hat seine Freundin an einem solchen Anlass kennen gelernt.
Was sagt sie dazu, dass sie ihren Partner quasi mit einem Auto teilen muss? «Sie kommt damit klar», sagt der gelernte Schreiner. Er ist von Diepoldsau nach Wichtrach angereist. Was er verdient, fliesst direkt ins Auto. Ferien macht Dehm keine. «Die Tuningtreffen im Sommer sind für mich wie Ferien», sagt er. Wie viel Geld hat er denn bereits in seinen 420-PS-Boliden investiert? Dehm schmunzelt. «Darüber spricht man nicht», sagt er.
Nein, wie viel Geld, Zeit und Kreativität in ein Auto geflossen sind, sollen die Besucher sehen, hören und fühlen: sehen, wie funkelnd die Carrosserie glänzt, hören, wie laut der Motor brummt, und fühlen, wie eindringlich der Bass wummert.
Johannes Dehm steigt zurück in sein Auto. Der Klappenauspuff knallt laut auf wie ein Böller an der Fussball-EM in Frankreich. Gut zwanzig Meter sind es zurück an seinen Platz. Viel mehr Meter legt er mit seinem Auto an diesem Wochenende nicht mehr zurück. Wie auch Jacqueline Rüegg liess Dehm sein Auto nach Wichtrach transportieren.
Kommt das Auto überhaupt einmal zu einem «normalen» Einsatz? Ja, sagt Dehm: «Manchmal fahre ich zu Hause um den Block, um eine Glace zu holen.» Die Blicke der Fussgänger sind ihm auch dann auf sicher.
Autor:in
Quentin Schlapbach, Berner Zeitung BZ
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Erstellt:
20.06.2016
Geändert: 20.06.2016
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