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Wichtrach - Ein einziges Indiz überführt den Waffendieb
Innert sieben Minuten räumten mehrere Männer ein Waffengeschäft in Wichtrach aus und flüchteten mit 77 Waffen. Sie hinterliessen ein einziges Indiz: einen Handballenabdruck. Gestern wurde in Bern der Mann verurteilt, von dem er stammt.
Es war kurz vor drei Uhr in einer Nacht im Dezember 2011, als im Waffengeschäft Schneider in Wichtrach der Alarm ausgelöst wurde. Sieben Minuten später erschien die Polizei vor Ort - doch da waren die Täter schon wieder weg. Die Zeit hatte ihnen gereicht, um die Storen vor dem Eingang zu zerstören, die Haupttüre aufzuwuchten, die Glasvitrinen im Geschäft zu zerschlagen und zu flüchten - mit insgesamt 77 Pistolen und Revolvern im Gepäck. Die Einbrecher liessen ein Chaos zurück. Spuren aber, welche die Ermittler zu ihnen geführt hätten, hinterliessen sie nicht - bis auf eine: den Abdruck einer rechten Hand.
Es ist die Hand des 26 Jahre alten Portugiesen, der nun am Regionalgericht Bern vor der Richterin Salome Krieger sitzt, in Anzug und weissem Hemd und mit frisch polierten Lederschuhen. «Wie kommt Ihr Handballenabdruck auf die Abdeckung der Neonröhre in der Vitrine des Waffengeschäfts?», will die Richterin von ihm wissen. «Das kann ich mir nicht erklären», sagt der Mann. «Sie bleiben dabei, dass Sie mit dem Einbruch nichts zu tun haben?», fragt die Richterin. «Ja.»
Mehrmals schon ist der Angeklagte mit dem Gesetz in Konflikt geraten - wegen Verkehrsdelikten, wegen Drohung gegen Beamte, wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln. Doch damit sei es vorbei, beteuert er. Vor kurzem wurde seine Tochter geboren, «es ist schön, sie zu füttern, sie zu baden, mit ihr zu sein». Er gehe jetzt kaum mehr aus, sondern kümmere sich um seine Familie, und er bemühe sich, seine Schulden von gegen 50 000 Franken abzuzahlen - Krankenkassenforderungen, Steuerschulden und «sonst noch Sachen». Mit dem Einbruch habe er nichts zu tun, beteuert er, «ich war wirklich nicht dort».
«Und er war es doch»
Nur - wie kam dann sein Handballenabdruck ins Waffengeschäft? Der Portugiese hatte in der Einvernahme gesagt, schon ein- oder zweimal als Kunde im Geschäft gewesen zu sein. Könnte der Abdruck nicht vom damaligen Besuch stammen? Nein, sagt der Geschäftsinhaber Werner Schneider. Denn die Abdeckung, auf welcher der Abdruck sichergestellt wurde, befindet sich im Innern der Vitrine. Diese sei mit einem 80 Kilogramm schweren Schutzglas bedeckt. Das Glas könne nicht verschoben werden. «Damit man auf die Abdeckung langen kann, muss die ganze Glasplatte weg sein», sagt Schneider. Weg ist die Platte normalerweise nur dann, wenn die Vitrine gereinigt wird - was nicht während der Öffnungszeiten geschehe. Ansonsten war die Scheibe nur einmal nicht an ihrem Platz: nachdem sie die Einbrecher in der Dezembernacht zertrümmert hatten.
Für die Richterin ist der Fall deshalb klar: «Und er war es doch», sagt sie zu Beginn der Urteilsverlesung. Sie verurteilt den Mann zu einer Freiheitsstrafe von 290 Tagen - bedingt, bei einer Probezeit von vier Jahren - und zu einer Busse von 1200 Franken. Es bestehe «überhaupt kein Zweifel», dass der Handabdruck von ihm stamme. Und für sie sei ebenso klar, dass der Abdruck während des Einbruchs entstanden sei. Der Angeklagte habe auch ein Motiv gehabt: jenes nämlich, seine Schulden abzahlen zu können. Klar scheint, dass er den Einbruch nicht alleine begangen haben kann. Ein Einzelner hätte kaum in sieben Minuten die Vitrinen zerschlagen und mit all den Waffen entkommen können, sind sich die Richterin und der Waffenhändler einig. «Welche Rolle er bei dem Einbruch spielte, wissen wir nicht», sagt die Richterin. Dass er dabei gewesen sei, sei aber erwiesen.
Schneider hat nun in seinem Geschäft eine massivere Türe eingebaut und eine Videoanlage installiert. Seit dem Vorfall Ende 2012 sei es «ruhig», sagt er.
Wo die Waffen landeten - Delikte in Darmstadt mit Berner Waffen
Die entwendeten Handfeuerwaffen aus Wichtrach sind teilweise in Deutschland wieder aufgetaucht.
Wo die Waffen landeten - Delikte in Darmstadt mit Berner Waffen
Die entwendeten Handfeuerwaffen aus Wichtrach sind teilweise in Deutschland wieder aufgetaucht.
Am 31. Mai 2012 wurde in Darmstadt ein Mann erschossen. Ermittlungen der Polizei ergaben, dass die Tatwaffe aus dem Waffenhaus Schneider in Wichtrach stammte. Konkret: Es handelte sich um eine der 77 Handfeuerwaffen, welche im Dezember 2011 gestohlen worden waren. Weitere Untersuchungen führten die Ermittler zu einer Liegenschaft in Darmstadt. Hier konnte bei einer Razzia im August 2012 ein international tätiger Waffen- und Drogenhandelsring aufgedeckt werden. Bei der Razzia wurden 23 Personen festgenommen und 29 Schusswaffen konfisziert. Auch stellte die Polizei vor Ort eine grosse Menge an Drogen, Bargeld in der Höhe von 20 000 Euro, rund 600 Stangen unverzollte Zigaretten und weiteres Diebesgut sicher. Es zeigte sich, dass zumindest ein Teil der Handfeuerwaffen aus dem Waffenhaus Schneider in Wichtrach stammte. Wie die Waffen ins deutsche Bundesland Hessen gelangten, konnte jedoch nur teilweise geklärt werden.
Ein Verbindungsglied zwischen Bern und Darmstadt ist ein Mann, der kürzlich vom Berner Regionalgericht der Hehlerei schuldig gesprochen wurde. Er soll einen grossen Teil der entwendeten Handfeuerwaffen aus dem Waffenhaus Schneider nach Deutschland exportiert haben. Ihm konnte Kontakt zu den Verdächtigen des Waffen- und Drogenhandelsrings in Darmstadt nachgewiesen werden. Dafür, dass er selber auch am Diebstahl in Wichtrach beteiligt gewesen war, fanden sich keine hinreichenden Beweise. Denn das einzige Indiz, nämlich ein Handballenabdruck, führt zum gestern Verurteilten Portugiesen (siehe Haupttext); und eine Verbindung zwischen ihm und dem Hehler brachten die Ermittlungen nicht zutage. Was mit den übrigen Pistolen und Revolvern geschah, ist ebenfalls unklar.
Siehe auch:
Wichtrach - Einbruch in Waffenhaus Schneider: Grössere Menge Faustfeuerwaffen gestohlen vom 14.12.2011
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Wichtrach - Einbruch in Waffenhaus Schneider: Grössere Menge Faustfeuerwaffen gestohlen vom 14.12.2011
Autor:in
Timo Kollbrunner, Der Bund
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Erstellt:
22.08.2013
Geändert: 22.08.2013
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5 Kommentare
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Hoffentlich waren die Waffen im Waffenregister registriert!!
"Kuscheljustiz"?
Die Strafe ist ja ein Witz und geradezu ein Einladung für die nächsten, eine ähnliche Tat zu begehen!
Jöööhhh!
Es settigs lumpigs Trinkgäldli vomene Büessli!!!
u nid emau id Chischte!
Si näs lieber dene wo mau chli ds schnäu fahre ufdr Strass oder mau es glas Wy zviu hei gha!!! E Frächheit sone mildi Straf!
man müsste wieder zu den alten Mitteln greifen (Daumenschrauben) um die Wahrheit heraus zu finden wer alles am Diebstahl beteiligt war