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Mikroplastik - Wie schädlich ist ein Kunstrasenplatz für die Umwelt?
Die Diskussion um mögliche negative Auswirkungen von Kunstrasenplätzen mit Gummigranulat hat die Region erreicht. Das Parlament in Worb wies ein fixfertiges Projekt zurück.
Kunstrasenfelder sind beliebt. Im Gegensatz zum Naturrasen sind sie auch im Winter und bei schlechtem Wetter bespielbar und leiden weniger, wenn sie stark beansprucht werden. In der Region Bern spielen nicht nur die Young Boys schon lange auf Kunstrasen. Auch auf dem Spitalacker, der Allmend, der Weissensteinanlage oder in Niederscherli wurde Naturrasen durch Kunststoffrasen ersetzt.
Auch Worb möchte ein solches Kunstrasenfeld. Seit Jahren ist in der Gemeinde bekannt, dass der Sportclub mehr Felder benötigt. Vor allem im Winter und bei schlechter Witterung ist der Betrieb eingeschränkt. Das Projekt eines neuen Kunstrasens wurde bereits vor 12 Jahren aufgegleist, scheiterte aber 2010 am Nein der Worber Stimmberechtigten.
Initiative als Auslöser
Vor zwei Jahren nahmen die Fussballer das Anliegen wieder auf, aus finanziellen Gründen sistierte die Gemeinde das Projekt. Im letzten Jahr reichten die Verantwortlichen eine Initiative ein, die in der Bevölkerung und in den Reihen aller Parteien auf grosse Unterstützung stiess. Sie wurde im letzten Sommer vom Grossen Gemeinderat angenommen. Am Montagabend wurde nun über den Kredit von 1,7 Millionen Franken debattiert. Bis kurz vor der Debatte schien die Entscheidung klar für den neuen Rasen auszufallen.
Bedenken kamen erst in den letzten Tagen auf, als Medien die Frage nach der Umweltverträglichkeit solcher Kunststoffrasen aufwarfen – Stichwort Mikroplastik. Das hat nun direkte Folgen für das Projekt in Worb (siehe unten).
Viele offene Fragen
Mikroplastik sei ein sehr aktuelles Thema, sagt Jacques Ganguin, Vorsteher des Amts für Wasser und Abfall (AWA) des Kantons Bern. Wenn man bedenke, dass auf den Kunstrasenfeldern in der Schweiz jährlich mehrere Tonnen des Gummigranulats nachgefüllt werden müssten, könne man davon ausgehen, dass im gleichen Zeitraum auch mehrere Tonnen in die Umwelt gelangen. «Da darf man sich Fragen stellen», sagt Ganguin.
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) verweist auf eine Studie des deutschen Fraunhofer Instituts vom letzten Jahr. Demnach beträgt die geschätzte Emission von Mikroplastik auf Kunstrasenfeldern rund 95 Gramm pro Jahr und Person. Laut Bafu besteht ein grosser Forschungsbedarf, um die Datenlage zu verbessern. Unbestritten sei aber, dass Mikroplastik die Umwelt belaste. Durch Benutzung, Abrieb oder Verwitterung kann Mikroplastik insbesondere in Böden und ins Wasser gelangen. Abwasserreinigungsanlagen würden in der Regel 90 Prozent davon entfernen. Über die effektiven Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt sowie die Gesundheit von Mensch und Tier sei noch sehr wenig bekannt, schreibt die Bafu-Medienstelle.
Im Auge behalten
Kunstrasenplätze sind aktuell nicht auf dem Radar des AWA, weil sie verhältnismässig wenig Fläche einnehmen. Es bestehe kein Messprogramm. Aber punktuell könnten mit der Zeit Probleme entstehen, ergänzt Ganguin. So würde sich das Granulat mit der Fortdauer zersetzen und gelte als Mikroplastik. Der Wind könne diese kleinen Partikel verfrachten, die Inhaltsstoffe könnten sich lösen. «Das sind nicht nur harmlose Substanzen. Die müssen wir im Auge behalten», sagt der Leiter des AWA.
Das Oberflächenwasser der Plätze sei nur leicht belastet, sagt Jacques Ganguin. Ein Teil davon versickere direkt im Boden, der als natürlicher Filter die gelösten Stoffe absorbiere. Das übrige Wasser könne je nachdem über ein Rückhaltebecken in ein Gewässer geleitet werden. Zu jedem Baugesuch eines Sportplatzes muss das AWA einen Amtsbericht erstellen. Das führt im Rahmen der Baubewilligung zu Auflagen.
Thema kommt aufs Tapet
Die Stadt Bern hat in den letzten Jahren den Bau von Kunstrasenfeldern forciert. Die ökologischen Bedenken seien ihr neu, sagte die zuständige Gemeinderätin Franziska Teuscher (Grüne) kürzlich gegenüber dem «Bund». Man müsse nun abklären, wie gross die Problematik wirklich ist. Ausserdem würden Naturrasenfelder stark gedüngt.
In Ostermundigen wird das Thema in den nächsten Monaten aktuell. Zwei Fussballfelder müssen den Tramwendeschlaufen und Wohnhäusern weichen. In Ostermundigen soll nicht irgendeine Unterlage verlegt werden, sondern der ausgediente Meisterrasen aus dem Stade de Suisse. «Wir werden die Umweltbedenken sicher thematisieren», sagt Gemeindepräsident Thomas Iten (parteilos). Zumal die Grünen im Parlament einen entsprechenden Vorstoss eingereicht haben.
[i] Mit oder ohne Granulat
Bei der Verlegung eines Kunstrasens gibt es zwei verschiedene Varianten: Entweder wird ein verfüllter oder ein unverfüllter Rasenteppich benutzt. Die verfüllte Variante verfügt über Gummigranulat, das eine stützende Funktion aufweist und der Oberfläche eines Naturrasens am nächsten kommt. Der unverfüllte Rasen ist noch weniger verbreitet als der verfüllte, in der Region gibt es wenige Erfahrungsberichte dazu. Er ist gleich aufgebaut, hat aber keinerlei Füllung. Um die fehlende Funktion des Granulats zu kompensieren, sind die Plastikhalme dichter nebeneinander als beim unverfüllten Kunststoffrasen.
Die Anschaffung eines unverfüllten Teppichs ist teurer als die verfüllte Variante. Der Unterhalt ist aber günstiger, unter anderem, weil kein Granulat nachgefüllt werden muss. Über eine Dauer von zwanzig Jahren gibt es in finanzieller Hinsicht keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Kunststoffrasen. (abe)
[i] Die Worber Fussballer müssen warten
Das gibt es in Worb auch nicht alle Tage: einen proppenvollen Saal an der Sitzung des Grossen Gemeinderats (GGR). Die Zuschauertribüne ist voll, drinnen drängen sich über hundert Fussballer auf den Stühlen, gelbe und blaue Trainingsanzüge stechen weit mehr ins Auge als Anzug und Krawatte der Parlamentarier. Die vielen Fussballer waren diese Woche aus genau einem Grund in die Sitzung geströmt: Alle wollten sich anhören, wie der Grosse Gemeinderat den Kredit über 1,7 Millionen Franken für den Einbau des geplanten Kunstrasenfeldes im Worbboden genehmigen wird.
So weit kam es aber nicht. Zur Überraschung der meisten Anwesenden verlangten die Parteien mit Ausnahme der EVP alle eine Rückweisung des Geschäfts an den Gemeinderat. Ein wichtiger Punkt fehlte dem Gros der Politiker in der Botschaft: «Die Problematik der Umweltverschmutzung wird nicht thematisiert», kritisierte der Sprecher der Geschäftsprüfungskommission (GPK). Es sei nicht klar, ob das Gummigranulat im geplanten Kunstrasen der Umwelt schaden könnte, sollte es beispielsweise ins Wasser gelangen. «Wir müssen weitere Varianten prüfen.» Die GPK forderte einen Vergleich zwischen einem verfüllten und einem unverfüllten Kunstrasen – der eine mit und der andere ohne Granulat.
Den Vergleich führte Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) gleich selber vor, verglich die Umweltverträglichkeit und die Kosten der beiden Rasen und strich hervor, dass das Parlament an diesem Abend über die eine oder die andere Variante abstimmen könne. Der unverfüllte Kunstrasen ist zwar in der Anschaffung 200 000 Franken teurer als der verfüllte. Auf die Dauer von zwanzig Jahren würde er aber nicht mehr kosten, weil der Unterhalt dieses Rasens günstiger wäre.
Gfellers Argumente und auch seine Bitte, das Geschäft nicht zurückzuweisen, «weil es sonst dieses Jahr keinen Kunstrasen geben wird», fanden kein Gehör. «Niemand bestreitet, dass wir den neuen Rasen brauchen, dieser Rückschritt ist aber nötig», erklärte etwa die GLP. Mit 29 zu 7 Stimmen wurde der Kredit abgelehnt. Nun muss der Gemeinderat die Botschaft überarbeiten und sie erneut vorlegen. Und man kann sicher sein, dass sich der Saal auch nächstes Mal, wenn der Kunstrasen im GGR Thema sein wird, mit zahlreichen Fussballern füllen wird. (abe)
Erstellt:
06.02.2019
Geändert: 06.02.2019
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