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Zäziwil - Eine Emmentalerin hilft in Afrika

Quelle
Berner Zeitung BZ

Elisabeth Joss-Schmider aus Zäziwil unterstützt ein Frauenprojekt im Hochland der Tropeninsel Madagaskar. Nähen und Stricken sind angesagt. Und Clownauftritte dürfen nicht fehlen.

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Stricken verbessert ihr Los. Die Zäziwilerin Elisabeth Joss-Schmider weilt zurzeit in Madagaskar. (Bild Klaus Heimer/zvg)
Wenn die 54-jährige Elisabeth Joss-Schmider aus Zäziwil auf der Tropeninsel Madagaskar mit ihrer knallroten Clownnase auftaucht, freuen sich die Einheimischen. Weisse Komiker sind selten in der seit dem Putsch vor einem Jahr durch ein Politchaos gelähmten Heimat von Pfeffer und Vanille.

Die Bewohner des bitterarmen Landes sind dankbare Zuschauer und lassen sich auch gerne in das Geschehen einbinden. Beim deutsch-madagassischen Strassenkinderprojekt «Manda» in der Hauptstadt Antananarivo waren rund hundert Mädchen und Knaben hingerissen von der Mimik, Gestik und den Kunststückchen der Zäziwilerin in ihrem bunten Outfit.

Weltenbummlerin

Mit einem Urlaub vor genau zehn Jahren hat alles begonnen: Die gelernte Krankenpflegerin Joss-Schmider mit dem Künstlernamen Kunigunde Zuber hat damals in einer Kleingruppe die viertgrösste Insel der Welt bereist. Geboren wurde die clowneske Weltenbummlerin in Tägertschi, wo sie mit drei Geschwistern auf einem Bauernhof aufwuchs. Von hier zog sie vor drei Jahren nach Zäziwil um.

Im Jahr 2000 war sie erstmals in einem Land der Dritten Welt. Sie hat damals auch den Ort Kianja im Hochland nahe der Holzschnitzermetropole Ambositra besucht. Dort haben sich inzwischen 54 Frauen zusammengeschlossen, um Nähen und Stricken zu lernen und gemeinsam zu versuchen, einen Weg aus der Armut zu finden.»

In der Schweizer Heimat hat Elisabeth Joss-Schmider zuletzt fünfzehn Jahre in einem Altenheim in Konolfingen gearbeitet und dort ein Werkatelier geleitet. «Das waren sehr intensive Jahre.» Bei einem Kurs lernte sie den Theaterpädagogen und Clown David Gillmore aus Freudenstadt kennen. Die 54-Jährige absolvierte bei ihm eine Clownausbildung und Weiterbildungskurse, nahm an einem speziellen Clownseminar der Schwedin Inge Ericson teil, ferner an Fortbildungstagen bei dem Theaterpädagogen Peter Honegger.

Schicksalsschläge

Sie gehört seit einigen Jahren mit rund dreissig weiteren Clowns beiderlei Geschlechtes den «Huusglön» an, die stets zu zweit Familien mit Behinderten aufsuchen und dort auftreten. Darüber hinaus hat sie meist halbstündige Vorstellungen bei Geburtstagen, privaten Jubiläen, in Gottesdiensten, bei Kursen und Tagungen, wobei Mundpropaganda und das Internet die besten Werbeträger seien. «Ich habe ein festes Programm, das jedoch auch individuell erweitert oder verändert werden kann.» Persönliche Schicksalsschläge, so der tödliche Autounfall ihres damals 19-jährigen Sohnes, mussten gemeistert werden.

Liftballons

Elisabeth Joss-Schmider engagiert sich im Verein «Schwerkranken nahe sein», ist interkulturelle Animatorin, Kirchengemeinderätin und Präsidentin der Kommission Erwachsenenbildung, Kultur, Diakonie und Ökumene in ihrem Heimatort und hilft seit 2007 ganz intensiv «ihren» Frauen im fernen Madagaskar. Sie lebt mit den Bewohnerinnen von Kianja unter einfachsten Bedingungen. «Es gibt keine Elektrizität, das Wasser wird aus dem Bach geholt.»

2005 war sie das zweite Mal auf der Afrika vorgelagerten Gewürzinsel, damals schon mit der roten Gumminase, ihrem Markenzeichen. In einer Schule oder auf der Strasse hatte sie mit einer Kollegin etliche Auftritte. «Wir haben Luftballons aufgeblasen und daraus Tierfiguren geformt.» Ein Jahr später hat sie wieder gemeinsam mit ihrer Reisegefährtin mit einer Schulklasse von Kianja ein madagassisches Märchen bearbeitet und aufgeführt.

Schweizer Spenden

Bereits 2007 wurden mit den Frauen gemeinsame Stricknachmittage durchgeführt. Die Mitglieder des Vereins helfen sich gegenseitig, geben ihre Kenntnisse gerne weiter. Das Strickmaterial bringt Elisabeth Joss-Schmider aus der Heimat mit, oder Madagaskar-Reisende helfen ihr beim Transport. Mit Hilfe von Spenden, die sie in ihrer Schweizer Heimat sammelt, kann vor Ort das erforderliche Material gekauft werden.

Nun sollen manuell betriebene Nähmaschinen erworben werden, um das wirtschaftliche Standbein der Gruppe zu stärken. «Für ihre schönen Umhängetaschen oder Jacken sollen die Frauen aber selbst Abnehmer finden, darauf lege ich Wert; das trägt zu ihrer Selbstständigkeit bei. Sie sollen lernen, sich selbst zu vermarkten, eigenständig werden und dadurch auch an Selbstvertrauen gewinnen.»

Kleider nähen

Beim derzeitigen Besuch hat die Schweizerin den Frauen neue Strickmuster gezeigt. Jetzt sollen zudem noch einfache Kleider genäht werden, um das Warenangebot zu erweitern. Auf besonderen Wunsch hat sie den Dorfbewohnerinnen Anleitungen im Anbau von Gemüse gegeben.

Stolz ist die Eidgenossin auf die Entscheidung des Vereins im Oktober vergangenen Jahres, die bisherige Vorsitzende, eine Pfarrersfrau, abzuwählen, da diese die Gruppe nach der religiösen Zugehörigkeit der Mitglieder aufteilen wollte. Damit steht der Raum der reformierten protestantischen Kirche allerdings nicht mehr zur Verfügung.

«Die Gleichen»

Bei schönem Wetter sitzen die Mitglieder nun im Freien im Schatten eines Wohnhauses zusammen, in den Ferien kann ein Saal in der Schule genutzt werden, in dem die neue Vorsitzende arbeitet. «Es ist mir wichtig, dass alle gleichgestellt sind, den gleichen Wissensstand haben und es keine trennenden Hemmnisse gibt, denn schliesslich heisst die Frauengruppe «Tsimanavaka», das bedeutet «die Gleichen».

Auch dieses Mal nutzt Elisabeth Joss-Schmider die drei Monate, um Teile der Insel mit ihrem Renault 4 zu erkunden und sich über weitere Hilfsorganisationen zu informieren, wobei die rote Nase stets mit dabei ist. «Der Clown ist eine ideale Figur, Gefühle auszudrücken und zu verstärken, Lachen und Freude, Trauer und auch Angst zu zeigen.»

Autor:in
Klaus Heimer, Antananarivo, Berner Zeitung BZ
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Erstellt: 16.03.2010
Geändert: 16.03.2010
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