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Richigen - So trifft es die Bauern und das Rössli

Von den steigenden Strompreisen ist das Gewerbe besonders betroffen. Jedenfalls,  wenn dieses viel Strom braucht. In Richigen tun das in erster Linie Landwirte und das Restaurant Rössli.

(Bilder: Archiv BERN-OST/Richigen.ch)
Während der Pandemie: Rössli-Wirt Arunasalam "Oski" Malaichchelvan mit Richiger Gewerblern, die das Rössli unterstützten. (BERN-berichtete.) (Bild: Archiv BERN-OST)
Richigen hat schweizweit die höchsten Strompreise. (Bild: Richigen.ch)

Plus 175% - fast dreimal so viel wie dieses wird in Richigen nächstes Jahr der Strom kosten. Für eine vierköpfige Musterfamilie* sind das über 2000 Franken Mehrkosten pro Jahr (BERN-OST berichtete). Bei jenen, die den Strom brauchen, um ihr Geld zu verdienen, kann es schnell ein Vielfaches werden.

 

Gewerbe braucht nicht viel Strom

In Richigen ist das Gewerbe überschaubar und nicht alle sind betroffen vom massiven Anstieg des Strompreises im nächsten Jahr. Weder Rototec, die Industriepumpen verkauft und wartet, noch die Bergmann Holz AG etwa haben eine umfangreiche Produktion. Auf Anfrage geben beide an, die empfohlenen Massnahmen wie effizientere Glühbirnen oder eine tiefere Raumtemperatur umzusetzen, so wie das auch Private können und sollen. Auf die finanzielle Situation des Betriebs werde die Preiserhöhung aber keinen grossen Einfluss haben.

 

Stromfresser auf dem Bauernhof

Anders sieht es bei den Landwirt:innen aus. Samuel Tüscher zum Beispiel betreibt in Richigen eine Schweinezucht. Zwar heizt er die Ställe im Winter mit einem Holzschnitzelofen. Strom braucht er trotzdem viel, denn die Ställe müssen ganzjährig belüftet werden. Zusätzlich verkaufen Tüschers Kartoffeln und Gemüse ab Hof. Beides wird in Kühlräumen gelagert, bis es verkauft wird. Insgesamt verbraucht der Hof deswegen deutlich über 50'000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

 

"Gedanken machen, wie weiter"

Bisher zahlten sie dafür um die 12'000 Franken pro Jahr. Neu werden es rund 33'000 Franken sein. "Das macht schon etwas aus", sagt Samuel Tüscher zum Preisanstieg. Schon jetzt seien die Produktionskosten, etwa für das Tierfutter, hoch und die Produktepreise tief. "Wenn das so bleibt und die Strompreise auch hoch bleiben, müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen, wie weiter."

 

"Bis zum bitteren Ende"

Auch Landwirt Andreas Bürki braucht viel Strom. Hier ist es der Melkroboter, der ins Gewicht fällt. Wieviel genau dieser verbraucht, das möchte er nicht sagen. Bei einem üblichen Stundenlohn würde ich bei der Milch schon heute draufzahlen. "Ich kann mir das leisten, weil es nur ein Nebenerwerb ist.» Deshalb stelle sich für ihn die Frage nach dem "wie weiter" weniger als für andere. "Ich mache weiter bis zum bitteren Ende", sagt er.

 

Rössli unter Belastung

Am härtesten trifft der kommende hohe Strompreis aber vermutlich den Gasthof Rössli. Einen Landgasthof zu führen und damit Gewinn zu machen, ist schon in gewöhnlichen Zeiten keine einfache Aufgabe. Nun kämpft Rössli-Wirt Malaichchelvan "Oski" Arunasalam kurz nach der Corona-Pandemie mit dem nächsten existenzbedrohenden Problem. Wobei die Pandemie für das Rössli noch nicht vorüber ist. "Wir sind daran, die Covid-Kredite zurückzuzahlen." Schon das sei eine Belastung. "Und jetzt noch der Strompreis. Das ist schon sehr viel für uns."

 

Sein Gasthof verbrauchte vor der Pandemie rund 80'000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Dafür zahlte Arunasalam etwas über 20'000 Franken. Neu wird die Rechnung bei gleichem Verbrauch über 50'000 Franken kosten. Für einen Betrieb mit kleinem Budget und ohne Reserven eine horrende Summe.

 

Ein Fünfliber mehr fürs Cordon Bleu?

Möglichkeiten, Strom zu sparen, gebe es kaum, sagt der Rössli-Wirt zu BERN-OST. Den Grill, die Fritteuse und den Kochherd könne er nicht erst anwerfen, wenn jemand sein Essen bestelle. Und auch der Kühlraum müsse immer laufen.

 

"Die einzige Möglichkeit, den hohen Strompreis auszugleichen, wäre über die Menüpreise. Aber wenn das Cordon Bleu bei mir einen Fünfliber mehr kostet als im Nachbardorf, kommen die Leute nicht mehr."

 

"Wir müssen jetzt gut überlegen"

Als weitere Massnahme überlege er, die Küche nur noch kürzer offen zu lassen. Warmes Mittagessen gäbe es dann nur noch zwischen 12 und 13 Uhr anstatt wie heute von 11.30 bis 13.30 Uhr. Auch abends könnte er nur noch bis 20 Uhr warmes Essen anbieten. "Ausser natürlich, Gäste kündigten sich an."

 

Noch sei es zu früh, um Entscheidungen zu treffen, sagt Oski. "Wir müssen jetzt ganz gut überlegen, was die Möglichkeiten sind."

 

*Jahresverbrauch durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt: 4'500 kWh. Für Einfamilienhäuser liegt der Verbrauch meist höher, für Wohnungen tiefer.


Autor:in
Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch
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Erstellt: 09.09.2022
Geändert: 09.09.2022
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