Worb - Die Umfahrungsstrasse entlastet – und ängstigt die Gewerbler

1,4 Kilometer lang, zwei Tunnels, vier Kreisel, viereinhalb Jahre Bauzeit: Das ist die Umfahrungsstrasse Worb. Am Samstag findet ein Einweihungsfest statt, um 17 Uhr werden die Absperrungen entfernt, und der Verkehr kann die neue Strasse in Beschlag nehmen. Die bisherigen Hauptachsen Bernstrasse und Bahnhofstrasse bleiben vorderhand noch offen. In den nächsten zwei Jahren werden sie umgestaltet. Dann bleiben sie in den Spitzenzeiten für den Durchgangsverkehr gesperrt. Diese Massnahme schürt beim Gewerbe Ängste (siehe Kasten).

Egger: «Worb wird entlastet»

Die Kosten für die Umfahrungsstrasse und die neue Gestaltung des Zentrums belaufen sich auf 73,7 Millionen Franken.

Gestern stellten Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP) und Gemeindepräsident Niklaus Gfeller (EVP) den Medien die Umfahrung vor – mitten im 460 Meter langen Wisletunnel.

Die ersten Pläne für eine Umfahrung seien vor fast 30 Jahren gemacht worden, sagte die Baudirektorin. «Jetzt wird Worb endlich vom Durchgangsverkehr entlastet.» Denn: Auf der Bern- und der Bahnhofstrasse fahren fast so viele Autos wie im Schnitt durch den Gotthardtunnel. Mit der Umfahrung reduziere sich der Verkehr in Worb um bis zu 80 Prozent. «Das ist ein enormer Gewinn an Lebensqualität», so Egger.

Staus werden verlagert

Diese Ansicht teilt Niklaus Gfeller: «Das Dorf wird massiv von Lärm und Abgas entlastet, und die Gefahr für Schulkinder, Fussgänger und Velofahrer verringert sich.» Mit der neuen Strasse dürften die Staus zu den Verkehrsspitzenzeiten im Zentrum Worbs verschwinden. Oder besser: sich an den Rand verschieben. Denn es ist absehbar, dass vor allem abends die Autos aus Richtung Bern beim Bernstrasse-Kreisel warten müssen, um auf die Umfahrung einzumünden.

Gleiches könnte am Migroskreisel eintreten, über den die Autos Richtung Richigen fahren. Es sei nicht das Ziel gewesen, den Verkehr zu reduzieren, betonte Adrian Gygli, Projektleiter des Kantons. Man wolle ihn vielmehr aus dem Zentrum an die Peripherie bringen.

Dass die Umfahrungsstrasse an der Rubigenstrasse aufhört und nicht bis zur Richigenstrasse verlängert wurde, gab bereits Anlass zu Kritik. «Verkehrszählungen zeigten, dass dies nicht nötig ist», sagte Gygli. Das sei vielleicht gerade ein Plus, meinte Gemeindepräsident Gfeller. So sei die neue Strasse doch nicht so attraktiv, dass sie mehr Verkehr generiere.

Gemäss Gfeller entsteht durch die Umgestaltung der Bern- und der Bahnhofstrasse eine «sehr attraktive Wohnlage». Eine ganze Reihe von Wohngebieten könnten nun erneuert, bestehende Zonen neu beplant und neue Wohngebiete geschaffen werden. Dies beweise das Areal bei der ehemaligen Metzgerei Liechti. «Hier zeigt sich, wie die künftig umgestaltete Bernstrasse eine bessere Nutzung des Raumes zulässt.»

Gleichzeitig mit dem Bau der Umfahrungsstrasse wurde das Hochwasserschutzprojekt Worble realisiert, Kosten: 20,3 Millionen Franken. Der Bach unterquert das Dorf nicht mehr im Worblekanal. Dieser war bei Hochwasser zu wenig gross, was zu Überschwemmungen führte. Jetzt fliesst die Worble wieder wie früher im offenen Bachbett ums Dorf. Worbleaufwärts sind Rückhaltebecken und Überflutungsflächen entstanden, die den Wasserabfluss reduzieren.

Sicherheit vor Hochwasser

Diese Schutzmassnahmen können Überschwemmungen wie etwa im Sommer 2007 verhindern. Berechnungen ergaben, dass ein hundertjährliches Hochwasser allein in Worb Dorf Schäden von 64 Millionen Franken verursachen kann. «Der Hochwasserschutz bringt uns die lang erwartete Sicherheit», sagte Niklaus Gfeller. «Viele Worberinnen und Worber können nun einem Gewitter wesentlich ruhiger entgegensehen als bisher.»

Eröffnungsfest: Samstag, 17. Sept., 10 bis 15 Uhr, Schulanlage Worbboden. Festakt: 16 Uhr.

SKEPSIS BEIM GEWERBE

Die bisherigen Durchgangsstrassen von Worb, die Bern- und die Bahnhofstrasse, bleiben trotz der neuen Umfahrungsstrasse noch eine Zeit lang befahrbar. Bald beginnen aber Vorbereitungsarbeiten zur Umgestaltung der beiden Achsen. Der Kanton will im Februar 2017 mit dem Bau auf der Bernstrasse beginnen. Im Jahr 2018 ist dann die Bahnhofstrasse an der Reihe. Beide Strassen werden fussgänger und velofreundlich gemacht. Während der Bauzeit sind die Strassen jeweils nur in einer Richtung befahrbar.

Die Verkehrsberuhigung im Zentrum Worbs löst beim Gewerbe Skepsis aus. Vor allem die Ladenbesitzer und Restaurants befürchten Umsatzeinbrüche, wenn der Verkehr nur noch beschränkt und von einer Seite her durchrollt. Umstritten sind vor allem die Poller, welche die Durchfahrt bei den Eingängen der Bahnhof- und Bernstrasse zu den Pendlerzeiten verhindern sollen (wir berichteten). Einige Stimmen fordern, die Poller erst einzubauen, falls es sich als notwendig erweist. Dafür hat der Kanton kein Musikgehör.

[i] Siehe auch:
- "Umfahrung Worb: Weniger Durchgangsverkehr, besserer Schutz vor Hochwasser" vom 14.09.2016

- „Umfahrung Worb: 74-Millionen-Projekt wird eingeweiht“ vom 07.09.2016

- "Umfahrung Worb: Kanton braucht mehr Geld" vom 26.07.2016

- "Umfahrungsstrasse Worb: Am 17. September ist Eröffnung" vom 13.04.2016

- "Serie Worber Dorfzentrum: Die Dorfplatz-Spritze von Augenarzt Paul Steinmann" vom 01.10.2015

- "Serie Worber Dorfzentrum: Die Umfahrungs-Freude der Anwohner" vom 04.09.2015

- "Serie Worber Dorfzentrum: Die Poller-Sorgen von Garagist Roger Messerli" vom 18.08.2015