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Hochwasserschutz-Projekt Kiesental: 12 Millionen genehmigt, Referendum angekündigt

Die Abgeordnetenversammlung des Wasserbauverbandes Chisebach hat am 11. Juni 2015 einstimmig einen Kredit von 12.1 Mio. für das Projekt "Korrektion Chisebach und Hochwasserrückhalt Hünigenmoos" beschlossen. Ein gegnerisches Komitee um Werner Stucki sammelt Unterschriften für ein Referendum. "Wir sind zuversichtlich, die nötige Anzahl zusammen zu bringen," sagt er. Daniel Hodel, Präsident des Wasserbauverbandes Chisebach, äussert sich zu Fragen im Zusammenhang mit dem Projekt.

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Dass ein Hochwasserschutz nötig ist, wird nicht bestritten. Über die Art und den Umfang der Realisierung sind sind Befürworter und Gegner aber nicht einig. (Bild: chisebach.ch)

Was bedeutet das fakultative Referendum und wieso wird es in den Ferien publiziert?

Daniel Hodel: Nach der Sitzung vom 11. Juni mussten bei den Gemeinden noch die Zahlen der Stimmberechtigten in Gemeindeangelegenheiten erhoben werden und so erfolgte die Publikation erst im Anzeiger Konolfingen vom 2. Juli. Wenn die nötige Unterschriftenzahl von 582 gesammelt wird, gilt das Referendum als zustande gekommen und der Kredit muss dann von mindestens 8 der 10 Verbandsgemeinden per Gemeindeversammlungsbeschluss oder Urnenabstimmung genehmigt werden.

 

Haben Sie Angst vor dem Referendum?

Das fakultative Referendum ist ein demokratisches Instrument und Angst habe ich nicht davor. Aber es kann zu zusätzlichen Verzögerungen führen. Und wenn drei der zehn Gemeinden den Kredit ablehnen, hätten wir eine ähnlich verfahrene Situation wie vor Jahren am Lyssbach, wo Schüpfen als oberste Gemeinde den Kredit für den Ausbau abgelehnt hat und schlussend­lich der Kanton die Federführung für die Umsetzung übernehmen musste. Es wäre für mich bedenklich, wenn die Gemeinden an der Chise nicht mehr in der Lage wären, ihre Auf­gaben selbst zu lösen. Angst machen mir zudem eher die vielen Einsätze der Feuerwehren entlang der Chise bei jedem Hochwasser, die mit Wasser gefüllten Keller sowie die unter­spülten Strassen und Bahnen.

 

Wie ist der aktuelle Projektstand?

Am 23. Oktober 2014 wurde uns vom Tiefbauamt der Gesamtentscheid für das Projekt erteilt. Dieser wurde von zwei Einsprachen bei der Bau-, Verkehrs- und Ener­giedirektion angefochten, welche die Einsprachen mit Entscheid vom 22. April 2015 in sämtlichen Punkten abgewiesen hat. Dagegen hat nun eine Einsprachepartei Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.

 


Also wurde der Kredit zur Abstimmung gebracht, obschon die Bewilligung für das Pro­jekt noch nicht abschliessend vorliegt?

Das hängt damit zusammen, dass wir aufgrund des Entscheides der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion zur Einschätzung gelangt sind, dass die Einsprache zwar das Projekt verzögern, aber nicht verhindern kann. Wenn wir die Kreditbewilligung haben, können wir unmittelbar nach dem Abschluss des juristischen Verfahrens an die Umsetzung. Zudem benötigen wir für die Anträge um Finanzhilfe an Bund und Kanton diese Kreditbe­willigung.

 

Kommen wir zum Projekt selbst: Das gegnerische Komitee wirft dem Projekt vor, mit dem geplanten, künstlichen Rückhalt werde die Landwirtschaft zum Opfer für die Bau­tätigkeit in Konolfingen.

Wir haben an der Chise wie auch an anderen Bächen das Problem, dass bei starken Niederschlägen die Abflussspitzen schnell ansteigen und dadurch die Hochwasser­gefährdung auslösen. Seit den Hochwasserereignissen in den 70er Jahren haben die Gemeinden an der Chise zahlreiche Hochwasserschutzmassnahmen studiert und sind im 2003 zum Schluss gekommen, dass die Situation mit zwei Rückhalten im Groggenmoos (zwi­schen Zäziwil und Bowil) sowie im Hünigenmoos am wirkungsvollsten entschärft werden kann. Seither wurde das Groggenmoos realisiert (in Betrieb) und auch in Kiesen wurde ein Projekt nach diesen Grundsätzen geplant (vor dem Entscheid durch das Tiefbauamt).

 

Dies ist keine Antwort auf die Frage nach der ungleichen Las­tenverteilung.

Die Priorisierung ergibt sich aus der „Risikostrategie Naturgefahren“ des Regierungsrates von 2005, welche vereinfacht gesagt aussagt, dass das Schutzziel umso höher ist, je eher Menschen und hohe Sachwerte gefährdet sind und entsprechend tiefer, wenn keine Menschen und hohe Sachwerte gefährdet sind. Wenn nun gefordert wird, die Schutzziele zugunsten der Landwirtschaft zu erhöhen, so wird diese Priorisierung nicht nur infrage gestellt, sondern gerade umgekehrt. Zudem mussten wir Bund und Kanton gegenüber zur Begründung der geplanten Massnah­men in einem Gutachten Kosten und Nutzen der Hochwasserschutzmassnahmen nachwei­sen.

 

Dennoch übernehmen die Landwirte im Hünigenmoos mit den geplanten Massnahmen ein Sonderopfer.

Schauen wir doch, was im verregneten Sommer von 2014 los war, wo das Wasser wochenlang in Tümpeln im Hünigenmoos liegen geblieben war. Das Hünigenmoos ist seit eh und je ein gefährdetes Gebiet und wir erwarten ja nicht einfach ein Sonderopfer, vielmehr bieten wir eine Landumlegung zu Verbesserung der Bewirtschaftungsverhältnisse im Umfang von rund 2.1 Mio. Franken an und im Überflutungsperimeter werden künftig die Eigentümer für Kulturlandschäden und Ertragsausfälle entschädigt. Zudem verlegen wir die Chise in den tiefsten Talweg, so dass das Wasser weniger lang auf den Feldern liegenblei­ben sollte.

Aber die Landwirte trauen dieser Entschädigung nicht.

Immerhin haben wir im Groggenmoos an die Landwirte bei Überflutungen in den beiden letzten Jahren, seit der Damm steht, für Ertragsausfälle und Kulturlandschäden folgende Beträge ausbezahlt: 18‘700 Franken (2013) und 19‘500 Franken (2014).

 

Wieso legt man die Chise und den Kanal in Konolfingen nicht einfach tiefer, damit wäre doch auch ein besserer Hochwasserschutz gewährleistet?

Diese Variante hat man, wie zahlreiche anderen auch, sehr wohl abgeklärt. Dabei ist man jedoch zum Schluss gekommen, dass dies zu einer Verschärfung der Abfluss­spitzen und zu einem Ausbaubedarf auf der gesamten Gewässerlänge führen würde. Zudem müssten in Konolfingen sämtliche Brückenwiderlager und zahlreiche Unterquerungen von Leitungen angepasst werden und bereits nach dem Konzept von 2003 ausgebaute Abschnitte (Hünigenstrasse - Inselistrasse) müssten ebenfalls neu gebaut werden. Aufgrund der zu erwartenden technischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen unverhält­nismässigen Mehrkosten wurde diese Variante nicht mehr weiter verfolgt.

 

Und trotzdem wird Konolfingen vorgeworfen, sein Baugebiet zu Lasten der Landwirte im Hünigenmoos zu schützen.

Es ist vorgesehen, Chise und Gewerbekanal in Konolfingen von heute rund 7 m3 auf neu ca. 13 m3 auszubauen. Mit der Projektierung wurde jedoch zugewartet, bis die Bewilligung für das Hünigenmoos vorliegt, da zwischen den beiden Projekten Abhängigkei­ten bestehen. In der Zwischenzeit wurden aber die Ingenieurarbeiten für das Projekt in Konolfingen ausgeschrieben und die Arbeiten werden schwergewichtig in den beiden nächs­ten Jahren erfolgen.

 

Die Gegner beurteilen das Projekt im Hünigenmoos als überrissen und insbesondere den Landverschleiss als viel zu hoch.

Darüber bestehen sehr viele Missverständnisse und wir haben ver­schiedentlich darauf hingewiesen, dass der von den Gegnern aufgeführte Gewässerraum von 14.5 m nicht genehmigungsfähig ist und wir mit den vorgesehenen 23 m die gesetzliche Vorgabe von 27 m unterschreiten. Zudem sind Unterhalts- und Bewirtschaftungswege sowie Pufferstreifen in diesen Angaben bereits enthalten. Und auch im Fall, wo die bestehende Chise nicht verändert würde, müssen die Gemeinden bis 2018 einen Gewässerraum aus­scheiden. Es werden also häufig Äpfel mit Birnen verglichen.

Zudem bestreiten wir, dass die Gesamtfläche im Hünigenmoos tatsächlich Fruchtfolgeflä­che ist. Das soll aus unserer Sicht sorgfältig bei der Bonitierung im Zusammenhang mit der Landumlegung abgeklärt werden. Und für uns ist die Optik der Gegner zu einseitig, weil sie nicht beachten, dass mit diesen Hochwasserschutzmassnahmen auch am Unterlauf der Chise Land geschützt werden kann und nicht nur, wie immer behauptet, das Siedlungsge­biet von Konolfingen.

 

Sie sehen also einem allfälligen Referendum gelassen entgegen?

Nein, denn es ist eine sehr komplexe Materie, die seit 2006 geplant und projektiert wurde und nun Gefahr läuft, durch Eigeninteressen „verpolitisiert“ zu werden. Und dabei macht mir Angst, dass die Gegner ausser Kritik in eigenem Interesse keine kon­struktiven Lösungen anbieten können, welche nicht schon längst untersucht und sachlich begründet verworfen wurden. Und das würde ja nichts anderes bedeuten, als eine Bank­rotterklärung gegenüber dringenden Massnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschut­zes im Kiesental.


Der Niederhüniger Landwirt Werner Stucki bestätigte im Gespräch mit BERN-OST, Unterschriften gegen das Projekt zu sammeln. "Wir werden Hans Schäfer, dem Geschäftsführer des Wasserbauverbandes Chisebach, am 3. August die nötigen Unterschriften übergeben", so Stucki.

Sein "Komitee für einen angepassten Hochwasserschutz im Chisental" sei nicht gegen den Hochwasserschutz. Dieser müsse jedoch angepasst werden. Insbesondere müsste der Landverschleiss verkleinert werden, und zwar von den geplanten 23 m auf 14,5 m. Wichtig ist Stucki auch die Reihenfolge der Projekte: "Der Ausbau des Chisebachs und des Gewerbekanals durch Konolfingen muss zwingend vor dem Projekt Hüngigenmoos realisiert werden", sagt er. Nur so könnten genügend Abflusskapazitäten geschaffen werden.

Der Überflutungsperimeter muss laut Stucki so gering wie möglich gehalten werden. "Wir landwirtschaftliche Nutzfläche mehrmals im Jahr überflutet, nimmt die Bodenqualität laufend ab."

Stucki ist bereit, mit allen Mitteln für seine Anliegen zu kämpfen. "Nötigenfalls gehen wir bis vor Bundesgericht", sagt er.

[i] Siehe auch News-Berichte:
- Bowil/Zäziwil - Verzögerung im Groggenmoos vom 1.5.2014
- Kiesental - Kritik der Bauern entkräftet vom 3.12.2013
- Kiesental - Die Bauern wehren sich gegen die Ausmasse des Hochwasserschutz-Projekts vom 26.11.2013
- Kiesental - Einsprache-Flut gegen Pläne am Bach vom 9.10.2013

[i] Die Fragen an Daniel Hodel stellte Hans Schäfer, Geschäftsleiter des Wasserbauverbandes Chisebach.


Autor:in
Res Reinhard, res.reinhard@bern-ost.ch
Nachricht an die Redaktion
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Erstellt: 24.07.2015
Geändert: 24.07.2015
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